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DIE NATUR HAT IMMER RECHT | Brigitte Reutner-Doneus, 2024

DIE NATUR HAT IMMER RECHT – 10. KUNSTSALON Ruprecht-Riederer

Antonia Riederer studierte Malerei und Grafik an der Linzer Kunstuniversität bei Eric Ess, Ursula Hübner und Dietmar Brehm. Die 1971 in Grieskirchen geborene Malerin befasste sich in ihrer künstlerischen Ausbildung zunächst mit Grafik. Auf dem ersten Blick fällt auf, dass ihren Gemälden die grafische, konstruktive Linie zugrunde liegt. Zunächst entsteht ein lineares Gerüst auf der Leinwand, das den malerischen Vollzug vordefiniert. Wenn die Komposition steht, werden leuchtend bunte Farbtöne in breiten Pinselstrichen auf die Leinwand gesetzt und die Leerräume innerhalb des Liniengerüsts werden teilweise ausgefächert. Der mit Komplementär- und Warm-Kalt- und Hell-Dunkel-Kontrasten arbeitende Kolorismus verzurrt die Komposition in der Bildfläche. Die weiß ausgelassenen Kompartimente schaffen eine schillernde Lumineszenz, die sich von Licht und Farbe nährt.
Riederers Sehdinge beschreiben keine spezifischen, individuellen oder einzigartigen Begebenheiten. Ihre Bildaussage ist allgemeiner formuliert. Narrative Bausteine wie z. B. Haus, Baum, Mensch, Tisch, Buch werden miteinander kombiniert und auf farblich-formale Ausgewogenheit befragt. Der sichtbare Bestand wird auf einfache Formen reduziert. Die Sehdinge werden im Bild einzeln nebeneinandergesetzt. In den dadurch bedingten, formalen
wie auch inhaltlichen Zäsuren liegt ein Rhythmus, der die Bildaussage maßgeblich prägt. Der ästhetische Reiz liegt genau in diesem Stakkato, in dieser versatzstückartigen Anmutung, deren verbindendes Element einzig der luzide Kolorismus ist.
Man könnte sagen, dass die einzelnen Formen begriffliche Analogien wie die Wörter in einem konkreten Gedicht aufgreifen. Mit kantigen oder gerundeten Linien wird an einem strukturbetonten, schnörkellosen Ausdruck gearbeitet. Diese Malerei stellt keine Raumdiskussion vor, sondern verspannt sich durch ihr spezielles Kolorit in der Bildebene.
Wo kein Raum, da kein Äquivalent von Zeit. Der kraftvolle, bunte Kolorismus trägt neben der gestalterischen Konstruktion dazu bei, die Kompositionen der Zeit zu entheben. Konstruktion in der Linearität sowie im übergangslosen Nebeneinander von Farbflächen.
Diese formale Prägnanz lässt mich an die Odalisken von Henri Matisse oder an figurale Darstellungen seiner Rosenkranzkapelle in Vence denken: Keine Individuen, sondern allgemeine Formulierungen. Der Mensch an sich ist gemeint, kein/keine Einzelne von uns.
Der kreative Fokus liegt auf kompositionellen Aspekten. Auch meine ich Affinitäten zu Werken der Avantgardemalerei zu erkennen: Oskar Schlemmer, Bram van de Velde, Werner Bergs Spätkubismus, oder Analogien zur konkreten Poesie von Ernst Jandl oder visuellen Poesie von Josef Bauer.

Doch es sind nicht nur die visuellen Abbreviaturen, die die Künstlerin interessieren. Sie erfordern überdies große Konzentration, da sie in einem raschen Vollzug ausgeführt werden.
Riederers Gemälde drücken eine Harmonie aus, der konkrete Form- und Farbstudien zugrunde liegen. In diesem transformativen Akt können gegenständliche Sehdinge mitunter auch abstrakt aufgefasst werden. In ihren Gemälden wird formale Stringenz mit leuchtendem Kolorismus zu einem ästhetisch sehr ansprechenden Ganzen vereint.

Brigitte Reutner-Doneus | Kunsthistorikerin, Sammlungsleiterin Lentos Kunstmuseum Linz

TIME TO IMAGINE | Lisa Ortner-Kreil, 2023

TIME TO IMAGINE

Antonia Riederer wurde in Grieskirchen geboren und hat in Linz Malerei und Grafik studiert und 2001 diplomiert. Ihre Themen sind v.a. die Farbe und die menschliche Figur bzw. Dinge, die sich im engsten Umfeld befinden. Die Künstlerin hat mir im Vorfeld erzählt, dass sie stets versuche, „die Dinge zu spüren“, die sie darstellt. Eine große Klarheit, auch in der Farbigkeit, ist ihr wichtig. Das Zusammensetzten und Bauen von Bildern und die flächig gesetzte Farbe sind typisch. Mit der klaren Komposition und den klassischen Sujets von Figur, Kopf und Stillleben steht die Künstlerin auch in einer langen kunsthistorischen Tradition. Oftmals dienen auch Tuschezeichnungen dazu, den Bildaufbau zu untersuchen, Form und Farbe zu erproben. Die Dinge des Alltags, die uns umgeben, „diese Dinge haben eine Berechtigung, die gehören bearbeitet“, sagt die Künstlerin.

Lisa Ortner-Kreil | Kunsthistorikerin, Kuratorin im Bank Austria Kunstforum Wien

 

Antonia Riederer was born in Grieskirchen and studied painting and graphics in Linz and graduated in 2001. Her themes are mainly color and the human figure or things that are in the closest environment. The artist told me in advance that she always tries to „feel the things“ she represents. A great deal of clarity, also in colour, is important to her. The assembling and building of pictures and the flat color are typical. With the clear composition and the classic subjects of figure, head and still life, the artist also stands in a long art-historical tradition. Ink drawings are often used to examine the composition of the picture, to test form and colour. The everyday things that surround us, „these things have a justification, they need to be processed,“ says the artist.

Lisa Ortner-Kreil | Art historian and curator

MENSCHLICHE KÖRPER, ALLTÄGLICHES, LEBENSRÄUME UND NATUR | Reinhard Kannonier, 2021

Das sind die Hauptstationen auf einer entschleunigten Wanderung durch den künstlerischen Kosmos von Antonia Riederer. Sie sind vor allem mittels Acryl und Kreide, aber zuweilen auch mit Aquarell, Öl und Tusche fast ausschließlich auf Leinwand und Papier gestaltet. Der Begriff „Entschleunigung“ ist bei diesem eher Flanieren tatsächlich eine Versprechung: Sollte der Alltags- und/oder Berufsstress an Geist und Körper nagen, laden die Bilder dazu ein, sich zumindest temporär davon zu befreien. „Alle Zeit der Welt“ heißt denn auch eine kleine Serie von 2019, und etliche andere Bilder und Titel fangen atmosphärisch Ruhe, Auszeit und auch Geborgenheit ein. Die Arbeitsweise der Künstlerin selbst ist wohl integraler Bestandteil solcher Zustände.

Es ist natürlich kein Zufall, dass Antonia Riederer mit einem Zitat von Wassily Kandinsky aus „PUNKT und LINIE zu FLÄCHE“ (Bauhausbücher 9, 1926) ihrem eigenen Zugang zu Semantik und Form, zu Spannung und Ordnung sprachlichen Ausdruck verleiht. Es ist ein Rekurs auf die sogenannte klassische Moderne, deren erster Schritt einer der Befreiung war: von Jahrhunderte alten Regeln wie Perspektive in der Malerei oder Tonalität in der Musik. Er verhieß, frei zu werden im Kopf für neue Formen und Ausdrucksweisen. Der zweite Schritt zur Abstraktion verlangte von Kandinsky, Schönberg und Co vor allem Konzentration auf das Wesentliche und auf umso präzisere formale Stringenz. Er forderte aber keineswegs die Sterilisation von Empfindungen oder Emotionen. Immerhin wurzelte diese Genese zur Abstraktion bei vielen damaligen künstlerischen Protagonisten im Expressionismus.

In den Arbeiten von Antonia Riederer ist beides Grundlage des künstlerischen Prozesses, die formale Stringenz ebenso wie der unmittelbare, emotionale Ausdruck. Sie pendeln zwischen real angedeuteten Gestalten, formalisierter Abstraktion und Empfindungen – die „Entleerung“ von Köpfen und Körpern beispielsweise richtet den Blick auf die Strukturen, ohne deswegen an Ausdruckskraft einzubüßen. Die emotionale Energie kommt, so scheint es mir, vorwiegend aus den Farben, auch dann, wenn diese sparsam eingesetzt sind. Dort, wo Struktur und Farben mit beidseitig voller Offensivkraft aufeinandertreffen wie etwa im Bild „Sphäre“ (2017), entsteht soghafte Dynamik. Umgekehrt vermitteln insbesondere jene Bilder, die während ihres Aufenthaltes in der Villa Rabl in Bad Hall im Juli 2020 entstanden, die enge Symbiose zwischen traumhafter Landschaft(sgestaltung) und künstlerisch „befreiter“ Bildgestaltung.

Mit überschießenden Interpretationen sollte man sehr vorsichtig sein. Sie können auch völlig neben den Intentionen des originären künstlerischen Prozesses liegen. Dass trotzdem genau dann, wenn sich eines ihrer Bilder auf Grautöne zurückzieht, der Titel „Realitätsbefragung“ (2016, ein Kopf eingeschlossen, einer befreit) heißt, könnte auch so gelesen werden: Die Realität erblüht erst dann richtig, wenn sie farbig wird. Der „Aufbruch“ (2019) einer Gestalt in Richtung zart-gedämpfter Blautöne könnte eine Fortsetzung davon sein … Aber das ist ohne Zweifel eine Stärke der Bilder: Sie lassen dem Betrachter/der Betrachterin freie individuelle Interpretationen zu.

In jedem Fall zeichnet die Arbeiten von Antonia Riederer ein sehr kontrolliertes Changieren zwischen Formen und Farben, zwischen stimmungsgetragen und genau kalkuliert aus. Die Sujets sind weit entfernt von konkreten gesellschaftspolitischen Aussagen oder Stellungnahmen. Dennoch laden sowohl der Ausstellungstitel „frei“ als auch ihre bevorzugten Themen dazu ein, auf die zugespitzte Aktualität von so zentralen, globalen Konfliktfeldern wie Freiheit und Umwelt/Klima zu verweisen. Um zum Beginn zurückzukehren: Gerade in so aufgeheizten, polarisierten Zeiten sind eine zumindest temporäre Zurücknahme von Vorurteilen und die Konzentration auf Wesentliches hilfreich, und natürlich können die Arbeiten von Antonia Riederer jenseits ihres künstlerischen Wertes selbst dabei unterstützen.

Reinhard Kannonier | Rektor der Kunstuniversität Linz von 2000 bis 2019

Human bodies (especially their heads), everyday life, habitats and nature: these are the main milestones in a slowed down wander through Antonia Riederer’s artistic cosmos. They are designed mainly in acrylic or chalk but sometimes also in watercolour, oil or ink and almost exclusively on canvas or paper. The term “slowed down” is actually a promise on this stroll: if everyday and/or work stress is gnawing at mind and body, the pictures offer at least temporary relief. “All the Time in the World” is also the name of a small series from 2019, and many other pictures and titles also atmospherically capture calm, time out and even a feeling of safety. The way the artist works is itself an integral part of such conditions.

It is, of course, no accident that Antonia Riederer expresses her own approach to semantics and form, tension and order, in a quote from Wassily Kandinsky in “POINT and LINE to PLANE” (Bauhaus book no. 9, 1926). This is a recourse to so-called classical modernism, in which the first step was liberation: from centuries-old rules such as perspective in painting or tonality in music. It promises liberation in the mind, for new forms and modes of expression. The second step towards abstraction demanded that Kandinsky, Schönberg & co. concentrate on the essential and on formal rigour, which was all the more precise. However, he was certainly not calling for the sterilisation of feelings or emotions. Indeed, among many artistic protagonists at that time, this genesis of abstraction was rooted in expressionism.

In Antonia Riederer’s work, both form the foundations of the artistic process: formal rigour and direct, emotional expression. They fluctuate between realistically implied figures, formalised abstraction and feelings – the “emptying” of heads and bodies, for example, draws the eye to the structures without losing expressive power as a result. It seems to me like the emotional energy comes mainly from the colours, even though they are used sparingly. Where structure and colour come together in their full offensive power on both sides, such as in the picture “Sphere” (2017), an alluring dynamism emerges. Conversely, in particular the pictures created during her stay at Villa Rabl in Bad Hall in July 2020 convey the close symbiosis between amazing landscape (architecture) and artistically “liberated” image composition.

When it comes to excessive interpretations, great caution should be applied; they could be completely different from the intentions of the original artistic process. The fact that the title is “Questioning Reality” (2016, one head enclosed, one free) precisely when one of her pictures withdraws into shades of grey could also be interpreted to mean: reality comes into bloom properly only if it is in colour. The “Awakening” (2019) of a figure towards softly muted shades of blue could be continuation of this… but that is undoubtedly a strength of the pictures: they allow individual interpretations by the viewer.

In any case, Antonia Riederer’s work demonstrates a very controlled shift between forms and colours, between mood-based and precisely calculated. The subjects are a far cry from concrete socio-political declarations and statements. However, both the exhibition title “Free” and its preferred subjects invite reference to heightened topicality of such pivotal, global conflict areas as freedom and environment/climate. To return to the beginning: especially in such heated, polarised times, both withdrawal at least temporarily from preconceptions and concentration on the essential are helpful. Aside from its artistic value, Antonia Riederer’s work can naturally also act as an aid here.

Reinhard Kannonier | Rektor der Kunstuniversität Linz von 2000 bis 2019

FREI SEIN - DIE LUST AN DER FARBE | Andreas Strohhammer, 2021

Eine Begegnung mit Antonia Riederers Gemälden ist ein Fest der Farben. Die Buntheit des Kolorits fesselt den Betrachter. Ja, ihr feines Gespür für Farbharmonie manifestiert sich unmittelbar. Am Anfang stehen also die Farben, die von der Malerin wohl vorbereitet, fein abgemischt und selten unmittelbar aus der Tube beziehungsweise Flasche verwendet werden. Die so gewonnene Farbpalette schafft einen eigenen Farbkosmos, der immer neu kalibriert wird. Gesättigte, reinbunte Farbtöne stehen zarten, hellen Tonwerten gegenüber. Die verwendete Technik der Acrylmalerei fordert ein zügiges Arbeiten, das kaum Möglichkeiten einer Korrektur erlaubt. Der mit breitem Pinsel hingesetzte Strich ist erkennbar und wichtiger Bestandteil der Gemälde, eben die unverkennbare Handschrift Antonia Riederers. So ist der Farbauftrag mal deckend, mal transparent, ja beinahe aquarellhaft. Der Malvorgang an sich ist eine wesentliche Komponente des kreativen Prozesses, dabei weiß die Künstlerin zu Beginn – wenn sie die weiß grundierte Leinwand vor sich hat – nicht, wann die Reise enden wird. Nach dem ersten Anlegen der Komposition sind immer wieder Pausen zum Reflektieren nötig: den kräftigen, gestischen Pinselstrichen werden beruhigende Farbflächen zur Seite gestellt. Und natürlich die schwarzen Konturen und Zäsuren, die der Komposition Halt verleihen und die Buntheit zusätzlich steigern. Entscheidend ist auch der Moment der Fertigstellung, der Entschluss Antonia Riederers, wann das Bild fertig gemalt ist. Hier geht es um Erfahrungswerte, denn die Künstlerin weiß genau, ein Strich zu viel kann die Bildwirkung schwächen oder gar ins Negative kippen lassen. Gerade im Kleinformat beweist sie, mit wenigen, reduzierten Strichen einen gekonnten Ausdruck zu vermitteln.

Aber wie wirken nun die Gemälde auf uns? Vor allem die großformatigen Bilder bestechen durch ihre Plakativität, die sich in der Fernwirkung kundtut und eine starke Sogwirkung auf uns ausübt. Betrachtet man die Werke aus der Nähe, offenbaren sich nochmals die Feinheiten der Farbnuancen, die sich mit lichtdurchfluteter Transparenz überlagern und in ihrem Mikrokosmos ein eigenes Farbfeuerwerk veranstalten.

Die Bildthemen, die Antonia Riederer bearbeitet, bilden den klassischen Kanon der Kunstgeschichte ab: Menschenbilder, Landschaften und Stillleben. Stilistisch gesehen ist ihre Malerei ein Balanceakt zwischen Figuration und Abstraktion. Sie entwickelt dabei ihren persönlichen Stil, der einen hohen Wiedererkennungswert hat.

Antonia Riederer sagt selbst: „Mit Hilfe der Malerei wird mir das Wesentliche sichtbar gemacht. Das Gesehene oder Erdachte wird durch die Abstraktion ins Bildhafte transportiert. Somit wird der Gegenstand nicht verdrängt – er wird verwandelt. Es entwickelt sich eine eigene Formensprache, die meiner Sichtweise entspricht.“

Diese Transformation ins Abstrakte bewirkt auch eine Anonymisierung des Abgebildeten. Im Vordergrund steht immer der Dialog mit Form und Farbe, und gerade deshalb, weil die Themen nicht mit gesellschaftspolitischer Kritik aufgeladen sind, entsteht eine Zeitlosigkeit. Und genau das entspricht dem Frei-Sein, eben der Freiheit die sich Antonia Riederer herausnimmt, mit Farben ohne Zwang ihre Malerei auszuleben und dabei das Wesentliche in den Bildern herauszukristallisieren.  Besonders die menschlichen Antlitze bilden hier ein meditatives Gegenüber das für Entschleunigung und Standortbestimmung sorgt.

Ein kunsthistorisches Vorbild für die Malerei Antonia Riederers ist Alexej Jawlensky. Mit seinen Kopf- und Gesichter-Serien, die durchaus konstruktiv angelegt sind, entwickelt er mystische Antlitze, die auch für Antonia Riederer eine wichtige Inspirationsquelle bilden. Der Topos der Gesichter mit ihren minimalistischen Formen, reduzieren die realen Bezüge zu unserer Dingwelt. Es geht eben nicht um ein porträthaftes Abbilden sondern um das Deklinieren eines Topos. So erforscht Antonia Riederer die Möglichkeiten der Malerei auf empirische Weise. Ihre Malerei ist kein Abmalen der Natur, sondern eine künstlerische Deutung, die in ein Herausfiltern von Essenziellem mündet. Die Spontanität der Zeichnung und die Sicherheit der Farben ergeben ein abstraktes Bild, das gleichzeitig ein Spiegelbild des Lebens mit all seiner Dynamik, seinem Geist und Harmonie ist. Das Leuchten kommt von Innen, aber es bleibt alles, wie auch der Titel einer Werkserie zum Ausdruck bringt: eine Realitätsbefragung! Freilich entstehen ihre Werke aus einem inneren Bedürfnis heraus und interpretieren ihre eigene Umwelt, aber für uns Betrachter bilden sie eine Bühne, damit wir unsere eigenen Gedanken und Geschichten entwickeln können. Dabei entsteht ein sehr meditatives Momentum, das uns in den Bann zieht. Es ist eine bewusste Erfahrung, die wir in der Auseinandersetzung mit Entschleunigung und Lust auf Farbe machen können. Ruhe, In Gedanken, Time out oder Having a Break lauten Bildtitel, die uns Betrachter auf die richtige Fährte bringen.

Diese Suche nach der richtigen Geschwindigkeit und die Rückeroberung der Muße ist ein Anliegen Antonia Riederers, das sie gemeinsam mit Marie Ruprecht in Form eines mobilen Kunstsalons betreibt. Alle Zeit der Welt lautet diese Ausstellungsreihe, die losgelöst vom klassischen Galeriebetrieb an verschiedenen Orten gemeinsam mit Gastkünstlerinnen kuratiert wird.

In der Bildbetrachtung bedeutet frei sein, dass wir unseren Gedanken freien Lauf lassen, unsere Gefühle und Emotionen zulassen und mit Lust auf Farbe in Antonia Riederers Bildwelt eintauchen.

Andreas Strohhammer | Kunsthistoriker, Künstler, Kurator und Restaurator

 

BEING FREE – THE JOY OF COLOUR

An encounter with Antonia Riederer’s paintings is a festival of colour. The vibrancy of the colouring is captivating to the viewer. Yes, her keen sense of colour harmony is manifested immediately. The colours are the starting point, prepared and finely mixed by the painter, rarely used directly from tube or bottle. The colour pallet thus obtained creates its own colour cosmos, which is constantly being recalibrated. Saturated, pure, bright colours contrast with soft, light tones. This acrylic painting technique demands swift work, allowing few opportunities for correction. Strokes made with a wide brush are a visible and important element of the painting, and Antonia Riederer’s distinctive signature. The colour application is sometimes opaque, sometimes transparent – yes, almost like watercolour.
The painting process itself is a key component of the creative process; at the start, with the white-primed canvas in front of her, the artist has no idea where the journey will end. After initial application of the composition, frequent breaks are needed for reflection. The strong, gestural brushstrokes are set alongside calming colour fields and naturally the black outlines and breaks that hold the composition together further enhance the vibrancy. The moment of completion is also critical – Antonia Riederer’s decision of when the painting is finished. This is about experience, as the artist is well aware that one stroke too many can weaken the impact of the picture or even turn it negative. In small format especially, she manages to convey skilful expression through a few reduced strokes.
But what impact do the paintings have on us? The largescale pictures in particular impress with their boldness, which announces itself from afar and exerts a strong pull effect over us. When looking at the pieces close up, the subtleties of the colour nuances are manifested once again, overlapping with light-flooded transparency and staging fireworks of colour within their own microcosm.
The image themes covered by Antonia Riederer represent the classical canon of art history: pictures of people, landscapes and still life. From a stylistic perspective, her painting is a balancing act between figurative and abstract. Within this, she develops her personal style, which has a high recognition value.
Antonia Riederer herself says: “Through painting, I can see the essential. Abstraction translates the seen or imagined into the pictorial. The object is therefore not suppressed; it is transformed. A distinct design language emerges, which corresponds to my perspective.”
This transformation into the abstract also has the effect of anonymising the subject. The foreground is always occupied by the dialogue with shape and colour, and a timelessness emerges precisely because the themes are not charged with sociopolitical critique. This is exactly what being free means: the freedom that Antonia Riederer takes to realise her painting with unconstrained colours and thus to distil the essence within the pictures. The human faces in particular form a mediative counterpart here, an opportunity to slow down and think about where you are.

The topos of the faces and their minimalist forms reduces the real references to our material world. This is not about portrait depiction but rather about the declension of a topos. As such, Antonia Riederer takes an empirical approach to exploring the possibilities of painting. Her painting is not a depiction of nature but rather an artistic interpretation, culminating in the filtering of the essential. The spontaneity of the drawing and the certainty of the colours produce an abstract image, which is equally a reflection of life with all its dynamism, spirit and harmony. The radiance comes from within but, as the title of one series expresses, everything is still: the questioning of reality! Of course, her works arise from an inner need and are an interpretation of her own surroundings. Yet, for us as viewers, they represent a stage upon which we can develop our own ideas and narratives. This creates a very meditative momentum, in which we are caught up. It is a conscious experience that we can have when confronted with slowing down and the joy of colour. Calm, In Thought, Time Out and Having a Break are picture titles that set us as viewers on the right track.
This search for the right speed and for the recovery of leisure is a concern of Antonia Riederer that she pursues together with Marie Ruprecht in the form of a mobile art salon. Entitled All the Time in the World, this exhibition series is being curated in various locations together with guest artists, independently of classical gallery operation.
When looking at pictures, being free means giving free rein to our thoughts, allowing our feelings and emotions, and diving into Antonia Riederer’s pictorial world with the joy of colour.

Andreas Strohhammer | Art Historian, Artist, curator and restorer

EINE FRAGE DER KONTUREN | Christine Haiden, 2021

Antonia Riederer verbindet Zeichnung und Malerei für klassische Motive. Locker, klar und farbstark.

Es ist diese starke Präsenz des Dargestellten, wodurch unmittelbar Kontakt entsteht zu den Werken von Antonia Riederer. Das sitzende Paar, die Stillleben, Köpfe, Gesichter, sie alle zeichnen sich durch Klarheit und Kraft aus. In ihrem Atelier, angeschlossen an das Wohnhaus in Prambachkirchen, lassen die Größe und die Helligkeit des Raumes die Bilder besonders strahlen. Gleich am Eingang lehnen noch unbemalte Leinwände. Ihr Vater tischlert die Rahmen. Die Künstlerin spannt selbst die Leinwand. Ist das Bild fertig, wird das Bild nochmals mit einem Holzrahmen versehen. „Ich bin gerne aufgeräumt und ordentlich“, sagt Antonia Riederer. Das ist nicht bieder gemeint, sondern Teil ihres Wesens und wohl auch ihres künstlerischen Konzeptes.

Schwarz ist eine der dominanten Farben in Antonia Riederers Bildern. Sie wird vor allem für Konturen eingesetzt. Diese strukturieren Gegenstände und Figuren, sie grenzen ab, geben aber auch Raum. „Die Konturen führen das Auge.“ In ihrem ersten Jahr an der Linzer Kunstuniversität stand, obwohl sie Malerei inskribiert hatte, nur Zeichnen auf dem Programm. Das hat geprägt. Vor allem das Zeichnen von Akten schulte das Auge und die Hand.

Die Konzentration der Künstlerin gilt aber bei jedem Werk der Komposition. Wie verhalten sich Farben und Formen zueinander, wie kommt die innere Dynamik einer Figur in das Bild, wie baut man einen Kopf, wie gewichtet man Gegenstände, sodass sie gemeinsam funktionieren, was bewirken Linien? Das alles setzt sie in eine Spannung zueinander. Die starken Farben erhöhen den Effekt. „Ich mag das Klipp-und-Klare bei den Kontrasten“, erzählt Antonia Riederer.

„Die größte Herausforderung ist das Anfangen eines Bildes, weil man einen Stups braucht, um loszugehen, die Lockerheit und Ungeniertheit herauszuholen.“ Mit einem Augenzwinkern meint sie: „Es darf einem die Leinwand nicht leidtun.“ Um in den Fluss des Schaffens zu kommen, braucht Antonia Riederer Regelmäßigkeit. Die hat sich in ihrem Leben fast automatisch ergeben. Ihre beiden Töchter, mittlerweile Teenager, standen in der Prioritätenliste immer oben. Daher war täglich von halb acht bis halb eins Malen angesagt, wenn die beiden in der Schule waren.

Beim Blick aus ihrem Atelier am Rand eines Dorfes sieht Antonia Riederer auf Wiesen, Felder, viel Gegend. Landschaften gehören ebenfalls zu ihrem Themenspektrum. Damit knüpft sie an eine Tradition in der Malerei an. Die klassische Moderne mit Picasso, Matisse, Kandinsky war besonders prägend für die Prambachkirchnerin. Aber auch die Komposition der Renaissance hat sie beeinflusst. Politische Statements oder theoretische Probleme liegen ihr nicht. Selbstbewusst hat sie auch keine Scheu davor, dass ihre Bilder einfach gefallen. Bodenhaftung und Kunst schließen sich bei Antonia Riederer nicht aus. Wenn die Tage des offenen Ateliers anstehen, kommen auch die Menschen aus dem Dorf, und im Nachbarort Waizenkirchen gestaltet sie seit Jahren ein Schaufenster mit ihren Arbeiten.

Zuletzt entstanden im Gastatelier des Landes Oberösterreich in Bad Hall im Sommer 2020 zahlreiche Arbeiten mit Landschaftsbezug. Der unmittelbare Eindruck eines Gewitters, die alten Bäume im Kurpark – Antonia Riederer findet ihre Inspiration im Naheliegenden. Den Variationen sind keine Grenzen gesetzt, weder in der Fantasie noch in der künstlerischen Ausgestaltung.

Mit ihrer Kollegin Marie Ruprecht hat Antonia Riederer vor einigen Jahren den „Kunstsalon“ gegründet. Die beiden laden an wechselnden Orten Gastkünstlerinnen ein, mit ihnen auszustellen. „Über die Natur der Dinge“ wurde dabei ebenso gearbeitet wie über „Alle Zeit der Welt“. Mit Gästen wie Judith P. Fischer, Christine Bauer, Gabriele Kutschera, Isabella Minichmair, Christa Pitschmann und Elfriede Ruprecht-Porod entsteht so ein Netzwerk, aber auch ein reger Austausch. Corona hat der Initiative einen Dämpfer versetzt, was aber Pläne nicht vereitelt.

In den jüngsten Arbeiten von Antonia Riederer tritt die Reduktion stärker hervor. „Fokussieren und sammeln“ nennt sie das selbst. Der offene Raum, das Weiß, sucht sein Gewicht im Gespräch mit Farbe und Kontur. Nach dem Gestalten einer großformatigen Glasarbeit kommt die Faszination für das Licht dazu. Ein Glasfenster für eine Kirche zu gestalten, steht als Wunsch im Raum. Bei aller Zielstrebigkeit hat Antonia Riederer gelernt, dass es darauf ankommt, locker zu bleiben. „Ich mag keinen Zwang, ich brauche keinen super Titel und keine tolle Geschichte. Ich bin Malerin und gefordert durch Komposition und Farbe. Das reicht mir.“ Als ob sie das bestätigen wollten, melden sich unvermittelt die Wellensittiche im Stiegenhaus lautstark zirpend. Tiere warten noch darauf, von Antonia Riederer gemalt zu werden.

Christine Haiden | Journalistin und Autorin, Präsidentin des OÖ Presseclubs und langjährige Chefredakteurin der Zeitschrift „Welt der Frauen“

 

A QUESTION OF OUTLINES

It is this strong presence of the depicted that gives rise to direct contact with the works of Antonia Riederer. The seated couple, the still life, heads, faces: they all stand out for their clarity and strength. In her studio, which adjoins her home in Prambachkirchen, the size and lightness of the room give the pictures a particular radiance. Canvases that have not yet been painted stand right at the entrance. Her father makes the frames. The artist stretches the canvas for herself. When the picture is finished, it is once again given a wooden frame. “I like to be neat and tidy,” Antonia Riederer says. She doesn’t mean it in a stuffy way; it’s just a part of who she is and indeed her artistic concept.

Black is one of the dominant colours in Antonia Riederer’s pictures. It is used in particular for outlines. These structured objects and figures set limits but also create space. “The outlines guide the eye.” In her first year at the University of Art and Design in Linz, there was only drawing on the programme, even though she had enrolled for painting. That had an impact. In particular, drawing nudes provided training for the eye and the hand.

However, in every piece, the artist’s focus is on the composition. How do colours and shapes interact? How does the inner dynamic of a figure get into the picture? How do you construct a head? How can objects be given weight, so that they work together? What do lines do? She places all these aspects in tension with one another. The strong colours increase the impact. “I like the frankness and clarity of the contrasts,” Antonia Riederer recounts.

“The greatest challenge is starting a picture, because you need a nudge to get going and to find that relaxed, uninhibited place.” With a wink, she says: “The canvas must not cause you to suffer.” To get into the creative flow, Antonia Riederer needs order. That has been created in her life almost automatically. Both of her daughters, now teenagers, have always been a top priority for her. Painting time was therefore always from 7.30 to 12.30 each day, when they were at school.

Looking out of her studio on the edge of the village, Antonia Riederer can see meadows, fields, plenty of space. Her range of subjects likewise includes landscapes. She therefore continues a tradition in painting. Classical modernism with Picasso, Matisse and Kandinsky has been especially formative for the artist from Prambachkirchen but she has also been influenced by renaissance composition. She is not concerned with political statements or theoretical problems. With self-confidence, she is also not shy about the fact that her pictures are simply appealing. Being grounded and artistic are not mutually exclusive for Antonia Riederer. On studio open days, people also come from the village, and she has designed a shop window of her works for many years in the nearby village of Waizenkirchen.

Recently, many pieces relating to the landscape were created in summer of 2020 in Bad Hall, at the guest studio of the state of Upper Austria. The immediate impression is of a storm, the old trees in the Kurpark – Antonia Riederer finds her inspiration in obvious places. There is no limit to the variations, either in the imagination or in the artistic formation.

A few years ago, together with her colleague Marie Ruprecht, Antonia Riederer founded the “art salon”. At various locations, the pair invite guests artists to exhibit with them. The works here have included “On the Nature of Things” as well as “All the Time in the World”. With guests such as Judith P. Fischer, Christine Bauer, Gabriele Kutschera, Isabella Minichmair, Christa Pitschmann and Elfriede Ruprecht-Porod, they are creating both a network and lively exchange. The coronavirus put a damper on the initiative but this has not thwarted their plans.

In Antonia Riederer’s most recent works, there is greater emergence of reduction. She herself calls it “focus and collect”. The open space, the white, finds its weight in dialogue with colour and outline. Since she designed a largescale piece in glass, this has been joined by the fascination for light. Designing a glass window for a church remains a wish for her. Despite all her single-mindedness, Antonia Riederer has learned the importance of remaining relaxed. “I don’t like pressure. I don’t need fancy titles and an amazing story. I’m a painter, inspired by composition and colour. That’s enough for me.” As if they wanted to confirm that, the budgies suddenly pipe up with loud chirping on the stairway. There are still creatures waiting to be painted by Antonia Riederer.

Christine Haiden | journalist and author, president of the Upper Austrian press club and longstanding editor-in-chief of the magazine „Welt der Frauen“ (World of Woman)

EIN BLICK IN ANTONIA RIEDERERS BILDWELT | Gabriele Baumgartner, 2021

Ein Blick und ein kurzes Eintauchen in Antonia Riederers Bildwelt genügt, um ein Sich-wieder-Entziehen aus dieser Sphäre aufgrund des gewaltigen Ausdrucks der einzelnen Arbeiten aussichtslos erscheinen zu lassen. Mit intensiven Farben, die die Künstlerin in ausgewogenen Farbkombinationen und mit präzisen, breiten Pinselstrichen in Acrylfarbe auf Leinwand oder auf Papier setzt, schafft sie ein eigenes malerisches Universum, in dem sie von ihrer unmittelbaren Umgebung erzählt: Es sind Schilderungen ihres Alltags, Ansichten von gerade wahrgenommenen Landschaften, Portraits sie berührender Menschen oder auch persönliche Befindlichkeiten und Situationen. Sie selbst beschreibt ihre Intention: „Malerei und Zeichnung machen für mich das Leben zwischen den Dingen sichtbar.“

Gerade diese Prägung des Ausdrucks verlangt aber von der Künstlerin ein hohes Maß an Freiheit, ihr technisches Können und ihr Verständnis der Sinnhaftigkeit von Malerei auch auf dem Bildträger in entsprechender Form umsetzen zu können. Wie sehr sie bereits seit ihrem Studium der Malerei und Grafik an der Kunstuniversität Linz ihren Weg konsequent in diese Richtung beschritt, wird bei Betrachtung ihres umfangreichen Œuvres bewusst. Die ständige Weiterentwicklung und ein Lösen von aktuellen Normen prägen den Status quo ihrer Arbeiten. Antonia Riederer entzieht sich jeglichen zeitgenössischen Strömungen und referiert mit ihren Kompositionen auf die klassische Tradition. So weisen Arbeiten wie MOMMY LOVES und auch ZEIT-RAUM einen Konnex zu den Schemata der italienischen Renaissance und Künstlern wie etwa Piero della Francesca auf. Mit der Darstellung der Mutter, die liebevoll ihr Kind im Schoß hält, erinnert Antonia Riederer an kompositorische Techniken der charakteristischen Wiedergaben der Madonna mit dem Kind dieser Zeit. Jedoch transferiert die Künstlerin nur deren Struktur und Aufbau, in der Farb- und Formsprache bleibt sie der modernen Farbgebung und ihrer eigenen Sprache verhaftet. So auch in ihrem großformatigen Gemälde ZEIT-RAUM mit einer die rechte Bildhälfte einnehmenden tradierten Darstellung zweier Portraitierter – die Hand des Mannes berührt seine Frau und verrät dabei die enge Verbindung – und einem Landschaftsausblick mit einem in weiterer Ferne liegenden Massiv eines Berges, der als Blick aus dem Fenster gekennzeichnet ist und damit den Handlungsraum in die bestmögliche Bildtiefe setzt.

Wie sehr die Kenntnisse der Kunstgeschichte Antonia Riederers Auffassung der technischen Umsetzung der Malerei prägen, wird auch in jenen Arbeiten bewusst, die an die Errungenschaften der Künstlergenerationen erinnern, die schließlich der Malerei zu ihrer absoluten Freiheit verhalfen. In ihrer Papierarbeit SITZENDE schafft die Künstlerin ein Umreißen des weiblichen Aktes mit wenigen Kreidestrichen, die an die Leichtigkeit eines Henri Matisse (1869–1954) erinnern. Auch die ungewöhnlich farblich zurückgenommene Arbeit AUFBRUCH rezitiert klassische Muster wie das Einsetzen einer Rückenansicht des Protagonisten, um dem Betrachter damit den geistigen Einstieg in das Bildthema zu erleichtern und eine Identifizierung mit der Hauptfigur zu forcieren. Diese gestalterische Technik ist seit jeher ein von Künstlern eingesetztes klassisches Hilfsmittel, aber besonders in Arbeiten wie den stimmungsvollen Landschaftsansichten eines Caspar David Friedrich (1774–1840) oder modernen Figureninterpretationen wie jenen von Oskar Schlemmer (1888–1943) ist es ein augenscheinliches kompositorisches Werkzeug.

Die Loslösungen von alten Traditionen und die gewonnenen Freiheiten der Malerei in Bezug auf die Wiedergabe der menschlichen Figur, die besonders die französischen Expressionisten zu Beginn des 20. Jahrhunderts prägten, inspirieren Antonia Riederer in ihren unzähligen Gemälden einzelner Köpfe, die sie ausschließlich mit klar umrissenen Formen, einem Herausstreichen des Wesentlichen und wenigen intensiven Farbstrichen charakterisiert. Wiederum bezieht sie sich mit ihren Kompositionsmitteln auf eine lange Tradition der Malerei und weniger auf zeitgenössische Normen.  Sie konzentriert sich auf die Wiedergabe des Gesichtes, die Linien des Halses fungieren gleichsam als ein Podest und nur mancherorts werden Andeutungen der Schulterpartien sichtbar. Die stark eingesetzte schwarze Kontur definiert die Gesichtsmerkmale und die Farbigkeit übernimmt schließlich eine Charakterisierung und eine Wiedergabe des Stimmungsbildes. Die Künstlerin selbst meint über ihre Auseinandersetzung mit diesem Genre: Das Sujet der menschlichen Figur, ganz besonders der Kopf, ist ein wichtiges Motiv in meiner Arbeit. Der Kopf ist zumeist der öffentlichste aller Körperteile, ist somit von ganz besonderer Bedeutung. Kopf, immer wieder neu formuliert, ist eine Darstellung der Verschiedenartigkeit aller Menschen. Allerdings ein Teil verbindet: der Geist, der sich in jedem menschlichen Wesen verbirgt und die Zeit überdauert.

Dass ihre Arbeiten eine klare Struktur und Ordnung aufweisen, ist eine stete Handschrift ihres Œuvres. Die eingesetzte Kontur als ein wichtiges gestalterisches Mittel klärt Farbflächen, streicht die Formen heraus und betont sie – ohne aber übermächtig und ausschlaggebend in der Komposition zu wirken. Auch wenn die Künstlerin Wahrnehmungen einer Landschaft schildert, werden die Klarheit der Naturformen und deren Charakter mit den Mitteln der Kunst herausgearbeitet und die Stimmung des Lichtes und des Wetters aufgrund der Auswahl ihrer Farben transportiert. In Arbeiten wie ASTWERK oder auch KRAFTVOLLE FREUNDE, die im Kurpark von Bad Hall entstanden sind, abstrahiert und reduziert Antonia Riederer die Formen der Baumstämme und Äste in dem Ausmaß, dass deren bildnerische Wiedergabe als ein informelles Gemälde interpretiert werden könnte.

Antonia Riederers Verständnis für tradierte Techniken und ihre flächige, malerische Handschrift sind prädestiniert für eine Transferierung in das Medium „Glas“. Eine zweiteilige Glastür gestaltete sie in der für die Herstellung von Glasfenstern bedeutenden Werkstätte des Stiftes Schlierbach.

Das Zusammenspiel verwendeter intensiver Farben, in flächigen Pinselstrichen auf dem Bildträger ausgeführt, und die immer wieder mit Hilfe einer Kontur strukturierten Formen charakterisieren Antonia Riederers Malstil, der nicht in ein zeitgenössisches Korsett gepresst werden will, sondern als Weiterführung einer langen Maltradition begriffen werden muss.

Gabriele Baumgartner | Kunsthistorikerin und Kuratorin

Owing to the powerful expression of the individual pieces, a look at and brief dip into Antonia Riederer’s pictorial world is enough to make it seem impossible to ever look away again from this domain. With intensive colours in acrylic paint that the artist lays on canvas or paper in balanced combinations with precise, broad brushstrokes, she creates a painted universe of her own, in which she chronicles her immediate surroundings. These are depictions of her everyday life, views of landscapes just perceived, profiles of people with whom she comes into contact or of personal sensitivities and situations. She describes the intention for herself: “For me, painting and drawing reveal the life between things.”

 However, this very characterisation of expression demands a high degree of freedom from the artist, in order to be able to translate her technical skill and her understanding of the meaning of painting into the right form on the image medium. The extent to which she has consistently pursued this direction since she studied painting and graphics at the University of Art and Design in Linz becomes clear from looking at her extensive oeuvre. Continuous development and the dismantling of current norms are characteristic of the status quo of her work. Antonia Riederer bucks all contemporary trends and her compositions refer back to the classical tradition. Pieces such as MOMMY LOVES and even ZEIT-RAUM therefore display a connection to the schemes of the Italian renaissance and to artists such as Piero della Francesca. In the representation of the mother affectionately holding her child on her lap, Antonia Riederer evokes compositional techniques used during this period in the characteristic depictions of the Madonna with the infant Jesus. However, the artist transfers only their structure and composition; in the language of colour and form, she remains rooted in contemporary colours and in her own language. This is also true in her largescale painting, ZEIT-RAUM (fig. , page ), with a traditional representation of two figures occupying the right half of the picture – the man’s hand touching his wife and thus revealing the close connection – and a landscape view with the mass of a mountain far in the distance, which is identified as a view from a window and therefore places the action area at the best possible image depth.

 

The extent to which Antonia Riederer’s view of technical realisation in painting is characterised by her knowledge of art history also becomes clear in those pieces that evoke the achievements of the generations of artists who ultimately helped painting towards its absolute freedom. In her work on paper, SITZENDE, the artist creates an outline of the female nude with a few chalk lines that are reminiscent of the lightness of Henri Matisse (1869 – 1954). Even AUFBRUCH, a piece that is unusually reserved in colour, quotes classical structures such as the use of a back view of the protagonist, to make it easier for the viewer to engage mentally with the picture subject and to intensify identification with the central figure. This artistic technique is a classical means that artists have always used but it is an apparently compositional tool particularly in pieces such as the atmospheric landscapes of Caspar David Friedrich (1774 – 1840) or modern interpretations of figures such as those by Oskar Schlemmer (1888–1943).

 

Uncoupling from old traditions and freedoms gained by painting in respect of rendering the human form, which were characteristic especially of the French expressionists at the start of the 20th century, have inspired Antonia Riederer in her countless pictures of individual heads, which she denotes exclusively through clearly defined forms, highlighted basic features and few intensive colours. On the other hand, in her means of composition, she refers to a long tradition in painting and less to contemporary norms. In STILLE, she focuses on representation of the face, with the lines of the neck effectively functioning as a platform and hints of the shoulder area being visible only in some places. The strongly applied black outline defines the facial features and the colour ultimately assumes the character and appearance of an atmospheric picture. In respect of how she tackles this genre, the artist herself says: “The subject of the human figure and especially the head is a central theme in my work. The head is generally the most public of all body parts and therefore has a very special significance. Continuously reformulated, the head is a representation of all human diversity. Indeed, one aspect forms the connection: the mind, which is concealed in every human being and which stands the test of time.”

 

The fact that her work displays a clear structure and order is a constant signature in her oeuvre. As a key artistic tool, use of the outline elucidates colour areas, highlights and emphasises shapes – without having an overpowering or pivotal effect on the composition. Even though the artist depicts perceptions of a landscape, the clarity and character of the natural forms are represented through art and the mood of the light and weather is conveyed through her selection of colours. In pieces such as Astwerk and Kraftvolle Freunde, created in the Kurpark in Bad Hall, Antonia Riederer abstracts and reduces the shapes of the tree trunks and branches to the extent that their artistic rendering could be interpreted as an informal painting.

 

Antonia Riederer’s understanding of traditional techniques and her extensive, pictorial signature are ideally suited for transfer to the medium of glass. She designed a two-part glass door in the workshop at Schlierbach Abbey, which is famous for the production of glass windows.

 

The interplay of intensive colours used, applied to the image medium in extensive brushstrokes, and the shapes that are structured time and again by means of an outline are characteristic of Antonia Riederer’s painting style – one that cannot be squeezed into a contemporary corset but must rather be understood as the continuation of a long painting tradition.

Gabriele Baumgartner | Art historian and curator

DIE SCHÖNHEIT DER MALERISCHEN GESTE | Günther Oberhollenzer, 2021

I.
Das Atelier ist lichtdurchflutet und großzügig über zwei Stockwerke angelegt. Eine lange Fensterfront gibt den Blick auf die umliegende Landschaft frei, aber als Betrachter ist meine Aufmerksamkeit mehr auf das Innere des Raumes gerichtet: Welch farbenfrohe wie lebendige malerische Welt gibt es hier zu entdecken! Ausladende Leinwandformate mit raumgreifendem Figurenpersonal lehnen oder hängen an den Wänden, ihre Bildfläche scheint – trotz ihrer beachtlichen Größe – fast zu klein, kann sie doch nur einen Ausschnitt der künstlerischen Wirklichkeit darstellen. Daneben entdecke ich einen Block mit abstrahierten, auf Papier gemalten Kopfvariationen sowie kleine, aber nicht weniger ausdrucksstarke Stillleben und reduzierte Zeichnungen, wie in einem einzigen gestischen Schwung geschaffen, sowie schließlich, dem gegenüber und gestaffelt, wieder leuchtende Malereien in unterschiedlicher Größe mit Menschen, Gegenständen, Landschaften. An diese malerische Fülle muss sich das Auge erst gewöhnen, an das kräftige Kolorit und die große Geste, an die reiche Bilderzählung und den immer wieder verschwimmenden Übergang zwischen figurativen und abstrakten Elementen. Antonia Riederer ist eine leidenschaftliche wie authentische Malerin, die in diesem Medium unzweifelhaft ihre künstlerische Bestimmung und Ausdrucksweise gefunden hat. Das ist in ihren Werken unmittelbar spürbar, aber auch, wenn sie in ihrem kreativen Schaffensraum mit Begeisterung über den künstlerischen Antrieb, die Inspirationsquellen und malerische Prozesse erzählt. Riederers Handschrift, der Farbklang und die Formensprache sind unverkennbar, der Wiedererkennungswert ihrer Arbeiten ist hoch. Der Pinselstrich ist schnell gesetzt und energiegeladen, aber gleichzeitig – wie die dargestellten Szenerien – auch ruhig und konzentriert, harmonisch und ausgewogen.

Die Künstlerin malt direkt und meist ohne Vorzeichnung auf der selbst bespannten Leinwand, ihre liebste Technik ist das Acryl, bei den Papierarbeiten kommen daneben aber auch Aquarellfarbe, Tusche und Kreide zum Einsatz. Sie arbeitet – wie rasch erkennbar ist – ohne fotografische Vorlagen. Durchaus ein praktisches wie berechtigtes Hilfsmittel der zeitgenössischen malerischen Praxis, birgt die Fotografie die Gefahr, dass sich der/die Maler*in nicht von ihr lösen kann, zu stark an deren Oberfläche verhaften bliebt. Riederer will keine Oberflächen malen, sondern Körperformen in dynamischer Lebendigkeit wiedergeben, ein vor ihr liegendes Objekt in seinen Grundformen erfassen, einer aus dem Gedächtnis abgerufenen Landschaft malerisch nachspüren.

Die Künstlerin tritt vor Leinwand und Papier und lässt geschehen – mit schnellem Duktus, intuitiv und selbstbewusst. Forschend und fragend, den Blick auf Farbe und Form gerichtet, öffnet sie ein malerisches Möglichkeitsfeld, das vieles in der Schwebe lässt. Farbbalken und -flächen fügen sich – gern mit schwarzen Konturen versehen – zu einem Ganzen zusammen, lassen eine Menschenform, ein Stillleben, eine Landschaft entstehen. Die Motive erscheinen skizzenhaft und unfertig, geht es doch weniger um eine realitätsgetreue Abbildung denn um eine malerische Haltung, weniger um strenge Perfektion denn um das Festhalten von Empfindungen und das lustvolle Experimentieren mit Farbe und Form. Gerade diese malerische Offenheit ermöglicht dem/der Betrachter*in einen leichten Einstieg in das Bild, ein Sicheinfühlen in dessen Komposition und Aufbau. Wir können in die Malerei hineinsehen, durch Körperformen hindurchschauen, das Vorne und Hinten des Bildraumes erkunden und dabei erkennen, dass es nicht um die konkrete Figur, den einzelnen Gegenstand, eine bestimmte Naturansicht geht, sondern vielmehr um die Schönheit im Alltäglichen, auch Gewöhnlichen, die durch die malerische Transformation eine über den Moment hinausgehende Relevanz erfährt und im besten Fall etwas Grundlegendes wie Allgemeingültiges in sich birgt. Wobei ich der Meinung bin, dass, wenn jemand gut malen kann, er oder sie alles malen kann. Dann kann der einfachste Gegenstand zu einem Stück hochvitaler, starker Malerei werden, die uns staunen lässt.

 

The studio is flooded with light and generously spread over two floors. A long window front offers a view of the surrounding landscape, but as a viewer, my attention is more focused on the interior of the room: what a colorful and lively painterly world there is to discover here! Expansive canvases with large-scale figures lean or hang on the walls, their surface—despite their considerable size—almost seems too small, as they can only depict a segment of artistic reality. Beside them, I discover a block with abstracted head variations painted on paper, as well as small but no less expressive still lifes and reduced drawings, seemingly created in a single gestural sweep. Opposite and staggered, there are more luminous paintings of various sizes featuring people, objects, and landscapes. The eye must first adjust to this painterly abundance, to the vibrant colors and grand gestures, to the rich narrative and the ever-blurring transition between figurative and abstract elements. Antonia Riederer is a passionate and authentic painter who has undoubtedly found her artistic calling and means of expression in this medium. This is immediately evident in her works, as well as when she enthusiastically talks about the artistic drive, sources of inspiration, and painting processes in her creative workspace. Riederer’s signature style, the harmony of colors, and the language of forms are unmistakable, and her works have a high recognition value. Her brushstrokes are quickly set and full of energy, but at the same time—like the depicted scenes—calm and focused, harmonious and balanced.

The artist paints directly and usually without preliminary sketches on her self-stretched canvases. Her favorite medium is acrylic, though for her works on paper, she also uses watercolor, ink, and chalk. It quickly becomes apparent that she works without photographic references. While photography can be a practical and legitimate tool in contemporary painting practice, it carries the risk of the painter becoming too attached to its surface. Riederer does not want to paint surfaces; she aims to depict body forms in dynamic vitality, to capture the fundamental shapes of an object before her, and to artistically explore a landscape recalled from memory.

The artist approaches the canvas and paper, letting things unfold—quickly, intuitively, and confidently. Explorative and inquisitive, with a focus on color and form, she opens a painterly realm of possibilities that keeps many things in suspense. Color bars and fields, often outlined in black, come together to form a whole, creating a human figure, a still life, or a landscape. The motifs appear sketchy and unfinished; it’s less about a realistic depiction and more about a painterly attitude, less about strict perfection and more about capturing sensations and the playful experimentation with color and form. This painterly openness allows the viewer to easily engage with the image, to empathize with its composition and structure. We can look into the painting, peer through body forms, explore the front and back of the pictorial space, and realize that it’s not about the specific figure, the individual object, or a particular natural view. Instead, it’s about the beauty in the everyday and even the ordinary, which, through painterly transformation, gains significance beyond the moment and ideally embodies something fundamental and universal. I believe that if someone can paint well, they can paint anything. The simplest object can then become a piece of highly vital, powerful painting that leaves us in awe.

II.
Antonia Riederer, die auch eine großartige Zeichnerin ist, erzeugt einen eigenen Raum, einen malerischen Raum. Malerei ist nie Abbild von Wirklichkeit, sie ist Erschaffung einer eigenen Wirklichkeit. Spätestens Ende des 19. Jahrhunderts wurde die Malerei in der Aufgabe der Dokumentation von Wirklichkeit durch die Fotografie abgelöst. Das Interesse verlagerte sich vom Motiv auf die Malweise. Cézanne oder Manet fassten das Bild nicht mehr als Fenster zur Welt auf, auf der ebenen Fläche wird kein dreidimensionaler Raum vorgetäuscht. Das Bild ist vielmehr ein zweidimensionales Feld, in dem die Ordnung von Formen und Farben relevant ist. So auch bei Riederer: Ihre Werke verweisen zwar auf unsere Welt und Wirklichkeit, die Künstlerin lässt sich von Gegenständen und Räumen, Menschen und Landschaften inspirieren, doch im malerischen Prozess reduziert sie diese auf das Wesentliche, verdichtet sie auf ihre (malerische) Essenz. Die Motive dienen als Versuchsfeld für eine Malerei, die mit Farbe und Form, Fläche und Raum poetisch wie sinnlich eine neue Wirklichkeit erschaffen kann – eine malerische Realität mit eigenem Regelwerk und Gesetz.

Bisweilen kann man sich des Eindrucks nicht verwehren, dass für Riederer Farbe und Form wichtiger als das Sujet sind, nicht das Was, sondern das Wie entscheidend ist. Der Gegenstand kann damit auch zum „Platzhalter“ für rein formale malerische Fragen werden, für den Dialog von Fläche und Linie, Dichte und Leere, lauten und stillen Partien. Die Form und Komposition, das Kolorit und der Farbauftrag erzählen ihre eigene Geschichte. Der malerische Akt ist in seiner zeitlichen Dimension erfahrbar, durch das prozesshafte Überlagern und Überlappen einzelner Malschichten und -schritte und Setzen der einzelnen Farbakzente ist der Schaffungsprozess in seinem kreativen Ablauf sichtbar. Auch Spuren des Malvorgangs, wie zeichnerische Elemente, erkennbare Pinselstriche und Übermalungen, lassen den figurativen Bildgegenstand hinter den Malakt zurücktreten. Beim Betrachten kann man die Begeisterung und Leidenschaft der Künstlerin spüren, wie sie spielerisch und ernsthaft zugleich die kompositorischen Möglichkeiten eines Bildes und seines Aufbaus immer wieder aufs Neue auslotet, wie sie mit Techniken experimentiert oder Malerei einfach geschehen lässt.

 

Antonia Riederer, who is also an exceptional draftsman, creates her own space, a painterly space. Painting is never a mere representation of reality; it is the creation of its own reality. By the end of the 19th century, painting was supplanted in its role of documenting reality by photography. The focus shifted from the subject to the manner of painting. Cézanne and Manet no longer viewed the painting as a window to the world; the flat surface no longer pretends to depict a three-dimensional space. Instead, the painting becomes a two-dimensional field where the arrangement of shapes and colors is what matters. This is also true for Riederer: her works do reference our world and reality, and she draws inspiration from objects, spaces, people, and landscapes. However, in the painting process, she reduces these to their essentials, condensing them to their (painterly) essence. The motifs serve as a testing ground for a painting that can poetically and sensually create a new reality with color and form, plane and space—a painterly reality with its own rules and laws.

At times, one cannot shake the impression that, for Riederer, color and form are more important than the subject; it is not the „what“ but the „how“ that is crucial. The subject can thus become a „placeholder“ for purely formal painterly questions, for the dialogue between plane and line, density and emptiness, loud and quiet areas. The form and composition, the color and application of paint tell their own story. The act of painting is perceptible in its temporal dimension; through the process of layering and overlapping individual paint layers and steps, the creative process is visible. Even traces of the painting process, such as drawing elements, visible brushstrokes, and overpaintings, allow the figurative subject to take a backseat to the act of painting. In viewing her work, one can sense the artist’s enthusiasm and passion as she playfully and seriously explores the compositional possibilities of a painting and its structure anew each time, experimenting with techniques or simply allowing the painting to unfold.

 

III.
Die Rückenfigur steht vor einer weiten Landschaftskulisse. Die Gestalt ist zwar nur mit wenigen Stichen umrissen, aber dennoch stark in ihrer Präsenz. Der Horizont liegt tief – der/die Betrachter*in (so genau ist das nicht erkennbar) steht vermutlich auf einem erhöhten Standpunkt, etwa einem Berg oder einer Aussichtsplattform. Schwere Wolken türmen sich am Himmel, die wenigen Blautöne spiegeln sich in Kleid und Haar. Die Natur erscheint in ihren Braun- und Grautönen karg und leer, nur ein kleiner Flusslauf ist zu erkennen. Ein Zeichen der Hoffnung? Des wiederkehrenden Lebens? „Aufbruch“, so der passende Titel, gemalt in recht verhaltenen Farben, aber dennoch hoffnungsfroh stimmend. Ein passendes Bild auch für unsere Zeit.

In künstlerischer Meisterschaft gelingt es Riederer immer wieder, Werke zu schaffen, die in ihren Motiven, ihrer Farbgebung und Komposition schlichtweg einfach schön sind. Doch darf zeitgenössische Kunst „schön“ sein? Sie darf. Nach Jahren der theorielastigen Kunstdiskussion wachsen wieder die Lust auf und die Sehnsucht nach schönen, auch sentimentalen Bildern. Noch vor einigen Jahren reagierten Künstler*innen wie Kurator*innen mit Panik, sobald das Wort „Schönheit“ in den Mund genommen wurde. Sie galt, absurd genug, als schlimmer Makel im Lebenswerk. Wurde dennoch Schönheit diagnostiziert, war man schleunigst bemüht, den Schleier der Diskurse darüber zu werfen. So war jedes abgemalte Foto ein Akt der Medienkritik, jedes gegenständliche Bild eine gesellschaftspolitische Reflexion. Doch so wurde man vielen Werken nicht gerecht. Riederers Bilder sind meisterlich gemalt, uns Betrachter*innen einnehmend und gewinnend, ohne aber oberflächlich oder naiv zu wirken, sie sind voll Licht, farbintensiv und sinnlich, nicht jedoch lieblich oder gar kitschig.

Riederers Malereien, die Figuren und Köpfe, die Stillleben und Landschafen, sind schön. Sie berühren und erfreuen uns in ihrer Unmittelbarkeit und leidenschaftlichen Geste. Und das ist meines Erachtens ohne Einschränkung als eine positive Wertung zu verstehen.

 

The figure from behind stands against a vast landscape backdrop. Although the figure is only outlined with a few strokes, it is nonetheless powerful in its presence. The horizon is low—the viewer (not entirely clear whether it’s a man or woman) is likely positioned on an elevated point, such as a mountain or viewing platform. Heavy clouds tower in the sky, and the few shades of blue are reflected in the figure’s clothing and hair. The natural surroundings appear sparse and empty in their brown and gray tones, with only a small river visible. A sign of hope? Of returning life? „Departure,“ as the fitting title suggests, is painted in rather subdued colors, yet it remains uplifting. It is a suitable image for our time.

In artistic mastery, Riederer repeatedly manages to create works that are simply beautiful in their motifs, color palette, and composition. But can contemporary art be „beautiful“? It can. After years of theory-heavy art discussions, there is a growing desire for and yearning for beautiful, even sentimental images. Just a few years ago, artists and curators reacted with panic whenever the word „beauty“ was mentioned. It was, absurdly enough, considered a severe blemish on an artist’s body of work. If beauty was nonetheless diagnosed, there was a swift attempt to obscure it with layers of discourse. Thus, every painted photograph became an act of media critique, and every representational image a socio-political reflection. However, this approach did not do justice to many works. Riederer’s paintings are masterfully executed, captivating and appealing to viewers, without appearing superficial or naive. They are full of light, vibrant in color, and sensual, but not charming or kitschy.

Riederer’s paintings—her figures and heads, still lifes, and landscapes—are beautiful. They touch and delight us with their immediacy and passionate gesture. In my opinion, this should be understood as a positive assessment without reservation.

Günther Oberhollenzer | art historian, curator and author, Artistic director of the House of Artists Vienna

KUNST IM SCHLOSS | Andreas Strohhammer, 2020

Betritt man die Ordinationsräumlichkeiten, springt eines sofort ins Auge: Die Farbigkeit und Buntheit der Gemälde Antonia Riederers. Ja, ihr feines Gespür für Farbharmonie manifestiert sich unmittelbar. Am Anfang stehen also die Farben, die von der Malerin wohl vorbereitet, fein abgemischt und nicht reinbunt verwendet werden. Die so gewonnene Farbpalette schafft einen eigenen Farbkosmos, der immer neu kalibriert wird. Die verwendete Technik der Acrylmalerei fordert ein zügiges Arbeiten, das kaum Möglichkeiten einer Korrektur erlaubt. Der mit breitem Pinsel hingesetzte Strich ist erkennbar und wichtiger Bestandteil der Gemälde, eben die unverkennbare Handschrift Antonia Riederers. So ist Farbauftrag mal deckend, mal transparent, ja beinahe aquarellhaft. Der Malvorgang an sich ist eine wesentliche Komponente des kreativen Prozesses, dabei weiß die Künstlerin am Anfang nicht, wann die Reise enden wird. Nach dem ersten Anlegen der Komposition sind immer wieder Pausen zum Reflektieren nötig: den kräftigen, gestischen Pinselstrichen werden beruhigende Farbflächen zur Seite gestellt. Und natürlich die schwarzen Konturen, die der Komposition Halt verleihen und die Buntheit zusätzlich steigern. Entscheidend ist auch der Moment der Fertigstellung, der Entschluss Antonia Riederers, wann das Bild fertig gemalt ist. Hier geht es um Erfahrungswerte, denn die Künstlerin weiß genau, ein Strich zu viel kann die Bildwirkung ins Negative kippen lassen.

Aber wie wirken nun die Gemälde auf uns? Vor allem die großformatigen Bilder bestechen durch ihre Plakativität, die sich in der Fernwirkung kundtut und eine starke Sogwirkung auf uns ausübt. Betrachtet man die Werke in der Nähe, offenbaren sich nochmals die Feinheiten der Farbnuancen, die sich oft mit lichtdurchfluteter, aquarellhafter Transparenz überlagern und uns immer wieder aufs Neue verblüffen.

Die Bildthemen, die Antonia Riederer bearbeitet, bilden den klassischen Kanon der Kunstgeschichte ab: Landschaften, Stillleben und Menschenbilder. Stilistisch gesehen ist ihre Malerei ein Balanceakt zwischen Figuration und Abstraktion. Sie entwickelte dabei ihren unverkennbaren Stil, der einen hohen Wiedererkennungswert hat.

Antonia Riederer sagt selbst: „Mit Hilfe der Malerei wird mir das Wesentliche sichtbar gemacht. Das Gesehene oder Erdachte wird durch die Abstraktion ins Bildhafte transportiert. Somit wird der Gegenstand nicht verdrängt – er wird verwandelt. Es entwickelt sich eine eigene Formensprache, die meiner Sichtweise entspricht.“

Diese Transformation ins Abstrakte bewirkt auch eine Anonymisierung des Abgebildeten. Im Vordergrund steht immer der Dialog mit Form und Farbe, und gerade deshalb, weil die Themen nicht mit gesellschaftspolitischer Kritik aufgeladen sind, entsteht eine Zeitlosigkeit. Besonders die menschlichen Antlitze bilden hier ein meditatives Gegenüber das für Entschleunigung und Standortbestimmung sorgt.

Diese Suche nach der richtigen Geschwindigkeit und die Rückeroberung der Muße ist ein Anliegen Antonia Riederers das sie gemeinsam mit Marie Ruprecht in Form eines mobilen Kunstsalons betreibt. Alle Zeit der Welt lautet diese Ausstellungsreihe, die losgelöst vom klassischen Galeriebetrieb an verschiedenen Orten gemeinsam mit Gastkünstlerinnen kuratiert wird.

Auch hier in der Ordination ist die bewusste Erfahrung jenes Momentums, das sich in der Auseinandersetzung mit Entschleunigung und Muße für Farbe einstellt, ein Erlebnis, das ich ihnen allen heute Abend und in der Folge den Patienten wünsche.

Andreas Strohhammer | Kunsthistoriker, Kurator und Restaurator

 

Upon entering the clinic’s rooms, one thing immediately catches the eye: the vibrant color and richness of Antonia Riederer’s paintings. Her fine sense of color harmony is immediately apparent. The process begins with the colors, which are carefully prepared and mixed by the artist, avoiding pure, bright colors. This palette creates a unique color cosmos that is continually recalibrated. The technique of acrylic painting requires swift execution, allowing little room for correction. The broad brushstrokes are clearly visible and a crucial part of the paintings, embodying Antonia Riederer’s unmistakable signature. The application of color varies from opaque to transparent, almost watercolor-like. The painting process itself is a significant component of the creative endeavor, with the artist often uncertain when the journey will end. After the initial composition is established, repeated pauses for reflection are necessary: bold, gestural brushstrokes are balanced with calming color fields. And, of course, the black contours provide structure to the composition and enhance the colorfulness. The decisive moment is the completion of the painting, the artist’s decision about when the painting is finished. It is a matter of experience, as the artist knows precisely that one stroke too many can negatively impact the overall effect.

But how do the paintings affect us? Particularly the large-format works impress with their boldness, evident in their visual impact from a distance, exerting a strong magnetic pull on us. Viewed up close, the subtleties of color nuances are revealed, often overlaid with light-infused, watercolor-like transparency that continues to amaze us.

The themes Antonia Riederer explores cover the classical canon of art history: landscapes, still lifes, and portraits. Stylistically, her painting is a balancing act between figuration and abstraction. She has developed a distinctive style with a high degree of recognizability.

Antonia Riederer herself says: “Through painting, what is essential becomes visible to me. What is seen or imagined is transported into the pictorial realm through abstraction. Thus, the subject is not displaced – it is transformed. A unique visual language develops that corresponds to my perspective.”

This transformation into abstraction also results in an anonymization of the depicted subjects. The focus is always on the dialogue with form and color, and precisely because the themes are not laden with socio-political critique, a timelessness emerges. Particularly the human faces serve as a meditative counterpart, providing deceleration and a moment for reflection.

This search for the right pace and the reclamation of leisure is a concern of Antonia Riederer, which she pursues together with Marie Ruprecht through a mobile art salon. The exhibition series „All the Time in the World“ is curated with guest artists at various locations, detached from traditional gallery operations.

Here in the clinic, experiencing that moment of deceleration and leisure for color is also something I wish for all of you tonight and for the patients in the future.

Andreas Strohhammer | art historian, curator and restorer

LAUDATIO STIFT SEITENSTETTEN | Lydia Wassner-Hauser, 2019

Eine moderne Malerin die mit beiden Beinen fest am Boden steht, die Familie und Beruf vereint und noch dazu sehr engagiert ist im öffentlichen Ausstellungsbereich.

„Unser Lebensraum ist komplex, vielschichtig und vieldeutig. Die Suche nach einem Ordnungssystem verschafft Überblick“, so die Malerin. Eine Aussage, die man sowohl auf Ihre Arbeit als auch auf Ihr Leben übertragen kann. Ihre Arbeit und Ihre Person bestechen  durch eine unglaubliche Authentizität.

Beeindruckend- und das fällt bei allen Werken von Antonia Riederer auf, ist ihr persönlicher Stil. Eine Symbiose von Persönlichkeit und Werk.

Die Künstlerin setzt oft nicht nur Farbflächen nebeneinander und versucht die beiden Farben in Einklang zu bringen, nein, sie legt sozusagen eine weitere Ebene über das Bild- über die Komposition und vereint und/oder harmonisiert mittels einer Kontur- meist in dunkler Farbe oder sogar Schwarz die Farbflächen. Sie erzeugt so zusätzlichen Raum und bringt Klarheit und Entschlossenheit zum Ausdruck.

Sie schreibt: „Die Kontur ist dabei verbindendes Element und somit ein wichtiger Teil der Komposition.“

Oftmals spürt man gleichzeitig eine Leichtigkeit der Komposition. Diese vermeintliche Leichtigkeit wird einem als Künstlerin aber nicht immer in die Wiege gelegt. Nein- die muss man sich erarbeiten!

Betrachtet man das Werk und den Lebenslauf von Antonia Riederer so sieht man die vielen Arbeitsschritte, die zuvor getan werden müssen. Jahrelanges Akt und Naturstudium, Farbenlehre, studieren an Werken verschiedenster Künstler und oftmals erarbeiten Bildkompositionen.

Die Leichtigkeit, die in manchen Werken ganz klar spürbar ist, wird durch die intensive Beschäftigung mit dem Thema und der Bildfläche erreicht. Die Themen der Künstlerin sind klassischer Natur, so stehen Stillleben, Landschaft und vor allem der menschliche Körper im Mittelpunkt. Auch Kopfstudien tauchen immer wieder auf.

Antonias Werke entstehen oft in Serien. Sie widmet sich einem Thema und arbeitet daran. Zu einer Thematik können verschiedene Techniken genannt werden. So nähert sich Antonia dem Thema oft zeichnerisch, manchmal auch mit Hochdrucken, z. B Linolschnitt und aber vor allem mit der Farbe.

 

„Meine Arbeiten thematisieren meinen unmittelbaren Lebensraum. Diese Unmittelbarkeit fordert Klarheit, die erforscht, durchsucht, aufgestöbert und erfahren werden will“… so Antonia. Und wie gelingt das besser, als mit verschiedensten Techniken und mit einer fast kindlichen Neugierde.

Lydia Wassner-Hauser | Künstlerin

ERLEBBARES | Isabella S. Minichmayr, 2018

In den letzten Wochen habe ich mich intensiv mit den Arbeiten von Mag. Antonia Riederer beschäftigt. Ich habe mir aus Einladungen, Folder und Katalogen eine Antonia Riederer Miniatur-Ausstellung zusammengestellt. Immerhin blicken wir auf eine 17 jährige, intensive Ausstellungstätigkeit der Künstlerin, und über die Jahre haben sich dementsprechend einige Materialien und Dokumente angesammelt. Eric Ess und Ursula Hübner waren unsere gemeinsamen Professoren an der Kunstuniversität Linz und wir haben 2001 gemeinsam in den Räumlichkeiten der Tabakfabrik diplomiert. Wir teilen eine Ausbildungsgeschichte und mit dieser Gemeinsamkeit im Gepäck intensiv auf die Arbeiten der Künstlerin zu blicken, war für mich sehr spannend und sehr inspirierend!

Über die Jahre ist mir eines ihrer Diplombilder stark in Erinnerung geblieben. Im Grunde hat Antonia Riederer schon damals die Weichen für ihre heutige Arbeit gestellt. In ihrer Malerei und speziell in dieser Ausstellung geht es um „Erlebbares“. „Wirklichkeiten“ hieß beispielsweise ihre Ausstellung im Bildungshaus Schloss Puchber 2017. „Über die Natur der Dinge“ verhandeln Antonia Riederer und Marie Ruprecht-Wimmer in ihrem sehr erfolgreichen und bereichernden Ausstellungsprojekt „Kunstsalon“. Immer wird das direkte Umfeld befragt, durchforstet und beforscht. Als Mensch, als Künstlerin geht es ihr um Direktheit, Unmittelbarkeit, um Spannungen, aber auch um Ruhe. Es geht um das, was uns menschlich berührt, um die Beziehungen der Menschen und Dinge zueinander und ihr Verhältnis zur Welt.

Die Arbeiten Riederers kreisen im Wesentlichen um zwei Aspekte der bildenden Kunst – der formalen Gewichtung und um die Bedeutung, die ein Bild  als Kommunikationsmedium transportieren kann. Bei Eric Ess, so behauupte ich zusammenfassend, hat die Malerin gelernt, dass jede Bildfläche, jedes bildhafte Medium, eine kleine Welt für sich darstellt, die auf seine Teile reduziert, aus Linien und Farbflächen besteht. Der Kommunikationswert, also die Bedeutung, die ausgelesen werden kann, hängt davon ab, wie diese Linien und Flächen zueinander geordnet sind und wie sie in der Fläche gewichtet sind. Anders ausgedrückt: Je deutlicher die Gestalt, desto bedeutungsvoller und bedeutungvielfältiger kann ein Bild wirken.

Das führt uns gleich zu einer weiteren Besonderheit. Antonia Riederer spielt mit unterschiedlichen Sujets – Stilleben, Landschaften, Portraits. Das besondere ist nun, dass sie die einzelnen Sujets nicht unterschiedlich, entsprechend ihrer äußerlichen Erscheinung, behandelt, sondern mit einer formalen Klammer zusammenfasst. Die Künstlerin hat ein formales Spannungspaar für ihre Bilder entwickelt, welches sie für alle ihre Sujets anwendet. Sie verwendet dunkle bis schwarze Linien, die sie stationären, klar kontrastierten Farbflächen gegenüberstellt. Es entsteht eine Dynamik zwischen den formalen Mitteln, die die Vorstellungsgabe der Betrachterinnen kräftig in Bewegung setzt. Die Künstlerin erschafft so Lebendigkeit und gleichsam Ruhe, Konzentration auf das Wesentliche und Klarheit.

Doch für die Malerin ist ein Sujets nicht nur einfach das, was eben gerade in greifbarer Nähe ist. Ich denke hier hat dich auch ein Stück weit die Lehre von Ursula Hübner beeinflusst. Die Kunst soll wie das Leben aussehen, so das Credo der späten 60iger und frühen 1970iger Jahre. Kunst ist nicht ausserhalb des Lebens angesiedelt. So sind die unterschiedlichen Gegenstände und unser Umfeld mit Bedeutung und Geschichte aufgeladen. Gegenstände haben durch den alltäglichen Gebrauch im sozialen Kontext eine Nutzungs- und Produktionsgeschichte. Sie transportieren auch persönliche Erinnerungen und unser Blick über Landschaften folgt unserer abendländischen Bildtradition, ob wir das nun wollen oder nicht.

Dennoch oder gerade deshalb gibt die Malerin in einem Gespräch vom 30.04.2016 zu verstehen, dass sie den Kommunikationswert der bildenden Kunst ein Stück weit den Betrachterinnen überlässt.

„Die Spannung der Gegenstände zueinander interessieren mich. Das, was auf dem Bild passiert. Es muss keine spezielle Bildaussage mit einer Wahnsinns-Geschichte dahninter sein.“

Es geht Antonia Riederer also weniger ums Geschichtenerzählen, auch nicht um eine Selbstdarstellung oder Inszenierung, vielmehr hat der Betrachter, die Betrachterin den Freiraum mit seiner eigenen Geschichte in Kontakt zu treten.Und das ist für mich das Erlebare, die Unmittelbarkeit einer Kunsterfahrung, die ich so sehr wertschätze. Wenn Bilder eine Reise zu uns selbst und unseren eigenen Lebenserfahrungen ermöglichen. Dann sprechen wir auch von der Bilderfahrung im eigentlichen Sinne. Das Bildhafte ist dann Kommunikation mit der Welt und einem Gegenüber, das vertraut erscheint. Und damit triffst du punktgenau den Puls und erfühlst die Bedürfnisse unserer Zeit.

Isabella S. Minichmair | Künstlerin und Kunstphilosophin

 

In recent weeks, I have been intensely studying the works of Mag. Antonia Riederer. I have put together a miniature exhibition of Antonia Riederer’s works from invitations, brochures, and catalogs. After all, we look back on 17 years of the artist’s intense exhibition activity, and over the years, quite a few materials and documents have accumulated. Eric Ess and Ursula Hübner were our mutual professors at the University of Art and Design Linz, and in 2001 we graduated together in the premises of the Tabakfabrik. We share an educational background, and with this shared history in mind, it was very exciting and inspiring for me to delve deeply into the artist’s works!

Over the years, one of her diploma paintings has stayed strongly in my memory. Essentially, Antonia Riederer was already setting the course for her current work back then. In her painting and especially in this exhibition, it is about the „experiential.“ For example, her 2017 exhibition at Schloss Puchberg Education Center was titled „Realities.“ In their very successful and enriching exhibition project „Kunstsalon,“ Antonia Riederer and Marie Ruprecht-Wimmer discuss „The Nature of Things.“ The immediate environment is always questioned, searched, and researched. As a person, as an artist, she is concerned with directness, immediacy, with tensions, but also with tranquility. It is about what touches us as humans, about the relationships between people and things, and their relationship to the world.

Riederer’s works essentially revolve around two aspects of visual art: formal weighting and the meaning that an image can convey as a communication medium. Summarizing, I would say that with Eric Ess, the painter learned that every picture surface, every pictorial medium, represents a small world of its own, which, when reduced to its parts, consists of lines and color fields. The communicative value, meaning the significance that can be interpreted, depends on how these lines and fields are arranged in relation to each other and how they are weighted within the surface. In other words: the clearer the form, the more meaningful and multifaceted an image can appear.

This leads us to another distinctive feature. Antonia Riederer plays with different subjects—still lifes, landscapes, portraits. The special aspect is that she does not treat the individual subjects differently according to their external appearance but rather unifies them with a formal framework. The artist has developed a formal tension pair for her paintings, which she applies to all her subjects. She uses dark to black lines that she contrasts with stationary, clearly contrasted color fields. This creates a dynamic between the formal elements that vividly stimulates the viewers‘ imagination. In this way, the artist creates both vibrancy and tranquility, concentration on the essential, and clarity.

However, for the painter, a subject is not just simply what happens to be within reach. I believe that Ursula Hübner’s teachings have also influenced you in this regard. The credo of the late 1960s and early 1970s was that art should look like life. Art is not situated outside of life. Thus, different objects and our surroundings are imbued with meaning and history. Objects, through everyday use in a social context, have a history of use and production. They also carry personal memories, and our view of landscapes follows our Western pictorial tradition, whether we want it to or not.

Nevertheless, or precisely because of this, the painter stated in a conversation on April 30, 2016, that she leaves the communicative value of visual art somewhat to the viewers.

„The tension between objects interests me. What happens in the picture. It doesn’t have to be a specific message with an incredible story behind it.“

For Antonia Riederer, it is less about storytelling, self-representation, or staging; rather, she gives viewers the freedom to connect with their own stories. And this, for me, is the experiential and immediacy of an art experience that I value so much. When images enable a journey to ourselves and our own life experiences, we are truly talking about the experience of images in the proper sense. The pictorial then becomes communication with the world and with a counterpart that appears familiar. In doing so, you hit the pulse of our time and sense the needs of our era precisely.

Isabella S. Minichmair | visual artist and art philosopher

ÜBER DIE NATUR DER DINGE | Antonia Riederer, 2017

„Der Inhalt eines Werkes findet seinen Ausdruck in der Komposition, d.h. in der innerlich organisierten Summe der in diesem Falle notwendigen Spannungen.“ (Wassily Kandinsky)

 

ORDNUNGSSYSTEME MITTELS MALEREI“, ANTONIA RIEDERER AUS PRAMBACHKIRCHEN, OÖ.

In meiner Malerei thematisiere ich den unmittelbaren Lebensraum. Diese Unmittelbarkeit fordert Klarheit, die erforscht, durchsucht, aufstöbert, … und erfahren wird. Ich bin auf der Suche nach dem mir Wichtigen. Ein Auseinandersetzen und Wahrnehmen mithilfe der malerischen Mittel ermöglicht mir, den Umraum, der Ausgangspunkt der dargestellten Motive ist, zu bearbeiten.
Meine Bilder sind Farbkompositionen, die mittels in Flächen gegliederter Formen Ordnung erzeugen.
Farben, meist autonom in Flächen gesetzt, werden auf gestalterischer Ebene mithilfe einer großzügigen Kontur in Beziehung gebracht. Die Kontur ist verbindendes Element und somit ein wichtiger Teil der gestalterischen Übersetzung des Themas. Das Eine ist ohne das Andere nicht möglich. Während einzelne Objekte, Figuren und Köpfe primär als Form, weniger aufgrund oberflächlicher Details interessant sind, sind vor allem Landschaften starke Stimmungsträger.
In unserer sehr schnelllebigen Zeit drängt sich die Sehnsucht nach Ordnung auf. Eine Neuformulierung der für mich interessanten Sujets wird gesucht. Diese werden durch Scheiden, Weglassen, Filtern neu zusammengesetzt und wiedergefunden. Zusammengewürfelte Strukturen weisen Verschachtelungen und Verknüpfungen auf. Trotz überschneidender Flächen und Konturen am Bildgrund, sind sie gegliedert und geordnet. Es geht um Formfindung. Die Umwelt wird durch Wahrnehmung und Gestaltung transformiert und ermöglicht so für mich und den Betrachter eine andere Sicht darauf.
Eine Darstellung des dabei Erlebten und Empfundenen, das für mich Elementare, wird angestrebt und neu formuliert. Farb- und Formgefüge stellen Raumsituationen und Figuren dar, die, gefiltert und farbig gestaltet, eine Neuinterpretation bieten, die Zwischenräume aufzeigt und Verborgenes freilegt. Ein Bemühen, das mir Unmittelbare klar und strukturiert neu zu formulieren und zu gestalten.

Eine Figur, umwirbelt, umklammert von der Außenwelt; den Dingen um mich herum auf den Grund gehen. Weich, scharfkantig, fließend, strukturiert, gebaut oder doch zufällig? Den Ausdruck der Verschiedenartigkeit der Dinge und Lebewesen in meinem Umfeld erspüren und sie sozusagen für mich in Anspruch nehmen. So werden Fragen aufgeworfen: Brauche ich alles, das um mich herum ist, mich umfängt? Gestalte ich diese Dingwelten selbst oder werden sie mir „vorgebaut“?
Das Sujet der menschlichen Figur, ganz besonders der Kopf, ist wichtiges Motiv in meiner Arbeit. Der Kopf ist zumeist das öffentlichste aller Körperteile, ist somit von ganz besonderer Bedeutung. Kopf, immer wieder neu formuliert, ist eine Darstellung der Verschiedenartigkeit aller Menschen. Allerdings ein Teil verbindet: der Geist, der sich in jedem menschlichen Wesen verbirgt und die Zeit überdauert.

Unser Lebensumraum ist sehr dicht, daher ist mir die Suche nach einem Ordnungssystem wichtig – um einen Überblick zu schaffen.
Der Ausdruck der Bildaussage benötigt Offenheit. Ein Öffnen des Menschen in seiner Gesamtheit, der Natur, um der zentralen Bedeutung unseres Daseins auf die Spur zu kommen. Es geht um Vertiefung und gleichzeitiges Öffnen, um ein Klarwerden.
„Malerei und Zeichnung machen für mich das Leben zwischen den Dingen sichtbar.“

Über mein letztes Kunstprojekt: der „Kunstsalon“
Der KUNSTSALON mit dem Titel „Über die Natur der Dinge“ war ein Gemeinschaftsprojekt von Marie Ruprecht und mir. Im Sommer 2017 wurde erstmals einen Leerstand in Eferding mit Exponaten und Werkserien, die speziell zu dieser Ausstellung entstandenen sind, für einen Zeitraum von zwei Monaten bespielt. Weiters wurden zwei weitere Künstlerinnen von uns in den Salon geladen, mit ihren Arbeiten die Ausstellung mitzugestalten.

Der Kunstsalon als Ort, an welchem mit unterschiedlichen künstlerischen Disziplinen auf das gewählte Thema eingegangen wird , eröffnet für den Besucher ein breites Spektrum der Rezeption.
Das Konzept des „Kunstsalon“ sieht vor, in verschiedenste Räume zu „wandern“. Verschiedene Örtlichkeiten werden mit Themenstellungen in Verbindung gebracht und die daraus entstandenen künstlerischen Werke präsentiert.

Ausstellungshinweis auf meine nächste Einzelausstellung „Erlebbares“ am 15. Jänner 2018 in der Stadtgalerie Lebzelterhaus in Vöcklabruck OÖ.
Zur Ausstellung wird Frau Dr. Isabella S. Minichmair (Bildende Künstlerin und Kunstphilosophin) sprechen: „Antonia Riederers Werke sind nicht spekulativ auf etwas Weltbewegendes gerichtet. Sie zeigen die Lebendigkeit und Dynamik, die in der unmittelbaren Welterfahrung liegen. Und gerade deshalb treffen sie punktgenau die Bedürfnisse und den Puls unserer Zeit.“

Antonia Riederer | Blog – Museum Angerlehner

TRANSFORMATION IN FARBE | Wiltrud Hackl, 2017

Antonia Riederer wurde 1971 geboren und hat Malerei an der Kunstuniversität in Linz studiert – bei Eric van Ess und bei Ursula Hübner – und hat dadurch zwei sehr unterschiedliche Positionen innerhalb der Malerei kennengelernt. Das Zueinandersetzen von unterschiedlichen Positionen, Räumen wenn man so will oder Flächen, das zeichnet auch vordergründig die Arbeiten von Antonia Riederer aus. (Ich darf bei dieser Gelegenheit auch erwähnen, wie schön ich die Hängung hier im Kunstforum finde, gerade weil die großflächigen Arbeiten von Antonia Riederer so gut zur Geltung kommen.)

Was sehen Sie in den Bildern von Antonia Riederer – was fällt Ihnen zuallererst auf? Sehen Sie zuerst den sehr kräftigen schwarzen Trennstrich, mit dem die Künstlerin die Farbflächen voneinander fern hält oder sehen Sie zuerst diese Farbflächen in Beziehung zueinander gesetzt? Riederer spielt in jedem Fall direkt mit unserer erlernten Blickrichtung, und erzeugt gleichzeitig ein sehr harmonisches, ausgeglichenes Bild – das eine ist ohne das andere nicht möglich, der eine Zustand würde ohne den anderen nicht existieren, nicht sichtbar sein. Mir ist, als ich die Bilder zuerst gesehen habe, diese sehr bestimmende Pinselführung aufgefallen, dieser schwarze, kräftige Strich. Ein sehr entschlossener Strich – und, das bestätigt die Künstlerin auch im Gespräch, hier wird auch ein Mut sichtbar, das zu dürfen, was man da tut. Eine Freiheit, zu malen, was sie will, keinem Klischee zu entsprechen und sich keine Gedanken zu machen, ob die Art, wie sie malt, nun der Zeit oder gängigen Attributen entspricht. Antonia Riederer malt sehr körperlich, sie gibt ihren Farbflächen Kontur, gibt ihnen eine Linie, um zu bestimmen, was in den Bildern notwendig ist, wovon es gilt, die Farbflächen in den Bildern und auch sich selbst möglicherweise abzugrenzen. Mit diesen Abgrenzungen schafft sie allerdings auch etwas Verbindendes zwischen den Farbflächen. Übergangsräume, von einem Zustand zum anderen – hier spielt sich unglaublich viel ab – und genauso, für mein Empfinden, ist es mit diesen dicken, schwarzen Linien. Vielleicht auch im Bewusstsein über diese Aufgeladenheit transitorischer Räume sucht Antonia Riederer ein Ordnungssystem in ihrer Malerei zu etablieren. Riederer nimmt Bezug auf ihren unmittelbaren Lebensumraum, der durch unterschiedliche Gegebenheit sehr lebendig ist, sehr vielschichtig und vieldeutig ist. Die Sehnsucht nach Ordnung drängt sich da geradezu auf, den „Kopf frei kriegen,“ einen Überblick schaffen. Johann Wolfgang von Goethe hat sich ja auch als Naturwissenschafter hervorgetan, und hat unter anderem eine eigene Farbenlehre entworfen. Dabei ging es ihm auch um Ordnung, „Wir sind genöthigt zu sondern, zu unterscheiden und wieder zusammenzustellen, wodurch zuletzt eine Ordnung entsteht, die sich mit mehr oder weniger Zufriedenheit überblicken lässt.“ schreibt er, und spricht von Urphänomenen, mit denen er  – verkürzt ausgedrückt – nichts anderes meint als alles Lebendige in seiner Umgebung, Durch die Wahrnehmung und Gestaltung dieser Urphänomene sucht er Erkenntnisgewinn, nachvollziehbar für uns alle denke ich – wahrnehmen, ordnen, gestalten, verarbeiten, neu betrachten – Antonia Riederer fügt dem noch einen anderen Begriff hinzu – sie spricht von Filtern – Einflüsse, meint sie, müssen gefiltert und damit reduziert werden, auch das ist den Bildern anzusehen –  das gelungene Bemühen, das Gesehene, die Welt also in den Arbeiten klar und strukturiert neu zu formulieren. (Das tut sie im Übrigen auch dort, wo keine Farbe in den Bildern zu sehen ist, die nach Ordnung ruft: Auch in den Arbeiten, auf denen Köpfe in schwarz weiß zu entdecken sind, geht es um eine neue Formfindung, ein neues Kontextualisieren, um Klarheit –der Kopf ist das am meisten präsente Körperteil, fast immer nackt sozusagen und meistens exponiert, ist somit unser öffentlichstes Teil – Antonia Riederer löst diesen Körperteil los vom Rest des Körpers und setzt ihn in einen neuen Kontext, wenn man so möchte wiederum eine Abgrenzung, eine Distanzfindung, die einen breiteren Überblick ermöglicht.)

Antonia Riederer ist eine sehr leidenschaftliche Malerin, eine überzeugte Malerin, der, so sagt sie ganz bewusst, die Malerei als Technik ausreicht. Und diese Überzeugung, die Passion, diese Entschlossenheit ist in ihren Bildern nachvollziehbar.

Wiltrud Hackl | Künstlerin und Autorin

Kunisch, Hermann – Goethe-Studien / Dunker und Humblot, Berlin 1991
Latour, Bruno – Wir sind nie modern gewesen, Suhrkamp 2008

 

Antonia Riederer was born in 1971 and studied painting at the University of Art and Design Linz—under Eric van Ess and Ursula Hübner—thereby encountering two very different perspectives within painting. The interplay of different positions, spaces, or surfaces, if you will, also primarily characterizes Antonia Riederer’s works. (I should also mention, on this occasion, how much I appreciate the hanging here at the Kunstforum, especially because the large-scale works of Antonia Riederer are so effectively showcased.)

What do you see in Antonia Riederer’s paintings—what strikes you first? Do you notice the bold black lines that separate the color fields, or do you first see the relationships between these color fields? In any case, Riederer directly engages with our learned way of seeing, creating a very harmonious and balanced image—one aspect is impossible without the other, and one state would not exist or be visible without the other.

When I first saw the paintings, what stood out to me was the decisive brushstroke, the strong black line. It’s a very assertive stroke—and, as the artist confirms in conversation, it also reveals a courage to do what she does. There is a freedom in painting what she wants, without conforming to clichés or worrying about whether her style aligns with contemporary trends or attributes.

Antonia Riederer paints in a very physical way, giving her color fields contours and lines to define what is necessary in the paintings and to possibly distinguish the color fields from each other and from herself. These boundaries also create a connection between the color fields. Transitional spaces, from one state to another—so much happens here—and similarly, in my perception, with these thick black lines. Perhaps aware of the charged nature of transitional spaces, Riederer seeks to establish a system of order in her painting.

Riederer refers to her immediate environment, which is very lively, layered, and ambiguous due to various factors. The longing for order becomes almost pressing—“clearing the mind,” creating an overview. Johann Wolfgang von Goethe, who also excelled as a natural scientist, developed his own color theory. His aim was also about order: “We are compelled to separate, to distinguish, and then to reassemble, thereby creating an order that can be surveyed with more or less satisfaction,” he wrote, referring to primal phenomena, which, in simplified terms, means everything living in one’s surroundings. Through perceiving and shaping these primal phenomena, he sought knowledge—something we can all relate to: perceiving, ordering, shaping, processing, and re-evaluating. Antonia Riederer adds another concept—she speaks of filters. She means that influences must be filtered and thereby reduced, and this is evident in her paintings—her successful effort to clearly and structurally rephrase what is seen, the world, in her works.

(She does this even where no color in the paintings calls for order: even in works where heads are depicted in black and white, it is about a new form-finding, a new contextualization, and clarity—the head is the most present body part, almost always exposed and therefore our most public part. Antonia Riederer detaches this body part from the rest of the body and places it in a new context, which, if you will, is another form of separation and distance that allows for a broader perspective.)

Antonia Riederer is a very passionate painter, a committed artist who, as she consciously states, finds the technique of painting sufficient in itself. This conviction, this passion, and this determination are evident in her works.

Wiltrud Hackl | visual artist and author

GEORDNETE SPANNUNGEN | Marlene Gölz, 2015

Antonia Riederer

Antonia Riederer hat an der Kunstuniversität Linz u.a. bei Eric Ess Malerei studiert. Sie ist stark geprägt von der klassischen Moderne und hat früh ihre Bildthemen entwickelt. Riederers Werke sind immer gegenständlich wenn auch zuweilen stark abstrahiert. Das zeichnerische Element ist in Form kräftiger Konturenführung ebenso präsent wie das malerische. Unverwechselbar sind ihre Farbkompositionen, mittels der sie in Flächen gegliederte Formen räumlich positioniert und für das Auge erstaunliche dreidimensionale Effekte erzielt. Während einzelne Objekte, Figuren und Köpfe für Riederer primär als Form, weniger aufgrund oberflächlicher Details interessant zu sein scheinen, sind vor allem ihre Landschaften starke Stimmungsträger. Auch hier transformiert sie Spezielles in Allgemeines und so zieht sich bei ihr über alle Gattungen eine Anonymisierung der Welt, aus der ein Anspruch auf Allgemeingültigkeit und Dauerhaftigkeit spricht.

Geordnete Spannungen

Ihre Köpfe sind selten Porträts, ihre Figuren keine konkreten Personen, ihre Landschaften meist erdacht und ihre Stillleben zeigen Objekte aber nie Produkte. Die Bildtitel, die erzählen könnten, tun es nicht. Warum auch. Landschaft – Stillleben – Kopf – Figur, das genügt. Hier einmal „Baumkonstruktion“, da eine „Stehende“, dort eine „Sitzende“ und vielleicht „Drei Gefäße“. Viel mehr an Information wird der Betrachter nicht erhalten. Warum auch, Antonia Riederer ist Malerin. Und im Gegensatz zu vielen zeitgenössischen Künstlern eine, die das Bild an sich und damit die Gattung Malerei als vollkommen eigenständig betrachtet. Für sie braucht es nicht den genialen Einfall, die gesellschaftsverändernde Idee, kein Infragestellen, kein Ausborgen von Bedeutung, keine Demonstration von Bildung. Riederer ist Malerin, keine Behauptungskünstlerin, und es liegt in ihrem Selbstverständnis, dass das im heutigen Kunstdiskurs oftmals verachtete Handwerk die Voraussetzung für ihr Werk darstellt. Bestimmte Bildkonstruktionen und Farbbezüge sind selten erdacht, sie entstehen im Malen selbst und das technische Können öffnet ihr den Anfang. Das, was so locker hingeworfen scheint, ist das Resultat einer klassischen Ausbildung und jahrelangen Auseinandersetzung. Locker, ja, aber nichts ist zufällig in diesen Bildern, geschweige denn unfertig. Nicht das Skizzenhafte hier, nicht das türkise Dreieck dort, und wer ahnt schon die Überwindung, die es Riederer laut eigenem Bekunden kostete, die Objekte ihres jüngsten Stilllebens auf rosa Grund zu setzen? Letztlich sind Mittel und Motive so stimmig miteinander verbunden, dass die Frage nach dem Handwerk in den Hintergrund tritt und sich für den Betrachter nicht wirklich stellt. Harmlos mag mancher die Bildinhalte nennen (ach, eine Schüssel), doch Riederers Bilder wollen nicht aufrühren, kein Wissen vermitteln und das Schöne ist, sie setzen auch keines voraus. Ein paar Grundlagen der Kunstgeschichte vielleicht, Picasso, Matisse, Modigliani, Beckmann, auch Malevich und Mondrian, damit tut man sich leichter, aber viel nötiger als diese ohnehin im kollektiven Bildgedächtnis gespeicherte Kenntnis ist etwas anderes und das ist mehr als man oft glaubt ­– die Bereitschaft, die Bilder zu betrachten. Den Linien zu folgen, den Raum wahrzunehmen, sich dann vielleicht zu fragen wo die Schatten geblieben sein mögen und wie eine Spannung zwischen Objekten zustande kommt, die hintereinander stehen. Der eine Kopf, ein wenig anders als die anderen, was macht ihn aus? Seine leichte Neigung, wie lebendig? Diese Stillleben, kann man sie gedanklich erfassen, in den Griff bekommen? Mal rückt hier eine Ecke hervor, mal tut sich da ein Hohlraum auf – sollten Stillleben nicht eigentlich still sein?

Riederer sagt, auf der Leinwand, da müsse alles stimmen. Wenn schon Chaos außen rum, dann solle wenigstens hier eine gewisse Ordnung herrschen. Sie brauche diesen Halt der Konturen. Doch sind es nicht nur Konturen und Farbflächen, die stimmen müssen, es braucht auch eine Ordnung der Gedanken, eine Reduktion der Wahrnehmung, die dem Betrachter ebenso abverlangt wird. Er muss sich konzentrieren, sein Sehen und seine Empfindung ernst nehmen, was erst in einem Innehalten gelingen kann, denn er steht nun mal nicht vor Bildern, die sich erzählen lassen. Antonia Riederer sagt, sie wolle nicht tagesaktuell sein, keine Kunst machen, die zwar eine Zeitaussage habe aber in zehn Jahren niemanden mehr interessiere. Stattdessen macht sie das, was sie selbst interessiert und setzt einer Zapping-Gesellschaft anonymisierte Landschaften, Köpfe und Gefäße vor. Auch eine Aussage.

Marlene Gölz | Kunsthistorikerin

 

Antonia Riederer

Antonia Riederer studied painting at the University of Art and Design Linz, among others with Eric Ess. She is deeply influenced by classical modernism and developed her thematic focus early on. Riederer’s works are always representational, though they are sometimes highly abstracted. The drawing element is as prominent as the painterly aspect, characterized by strong contour lines. Her color compositions are distinctive, as she spatially positions forms divided into areas, creating surprising three-dimensional effects for the eye. While individual objects, figures, and heads seem to be primarily interesting to Riederer as forms, rather than for their superficial details, her landscapes are particularly strong mood carriers. Here too, she transforms the specific into the general, resulting in an anonymization of the world across all genres, which speaks to a claim of universality and permanence.

Ordered Tensions

Her heads are rarely portraits, her figures are not specific people, her landscapes are mostly imagined, and her still lifes depict objects but never products. The titles, which could tell a story, don’t. Why should they? Landscape – Still Life – Head – Figure; that’s enough. Here a „Tree Structure,“ there a „Standing Figure,“ and perhaps „Three Vessels.“ The viewer receives no more information. Why should they? Antonia Riederer is a painter. Unlike many contemporary artists, she views the painting itself, and thus the genre of painting, as completely autonomous. For her, there is no need for a brilliant idea, a society-changing concept, questioning norms, borrowing meaning, or demonstrating intellectualism. Riederer is a painter, not a conceptual artist, and it is intrinsic to her self-concept that the often-dismissed craft in today’s art discourse is the foundation of her work. Certain compositions and color references are rarely conceived beforehand; they emerge during the painting process itself, and technical skill opens the door to beginnings. What seems casually thrown together is the result of classical training and years of engagement. Casual, yes, but nothing in these paintings is accidental, let alone unfinished. Not the sketchiness here, nor the turquoise triangle there, and who would guess the effort it took Riederer, according to her own account, to place the objects of her latest still life on a pink background?

Ultimately, the means and motifs are so harmoniously connected that the question of craft takes a back seat and doesn’t really arise for the viewer. Some might call the content of the paintings harmless (oh, a bowl), but Riederer’s paintings do not aim to provoke, to convey knowledge, and the beauty is that they do not assume any. A basic knowledge of art history might help—Picasso, Matisse, Modigliani, Beckmann, as well as Malevich and Mondrian might be useful—but more essential than this knowledge, which is stored in the collective visual memory, is something else, often more significant than one might think: the willingness to observe the paintings. To follow the lines, perceive the space, and perhaps wonder where the shadows have gone and how a tension between objects that are positioned one behind the other is created. The one head, a bit different from the others—what makes it distinct? Its slight tilt—how alive does it seem? Can these still lifes be mentally grasped, understood? Sometimes a corner stands out, sometimes a void appears—shouldn’t still lifes be still?

Riederer says that on the canvas, everything has to be right. If there is chaos outside, then at least there should be some order here. She needs the stability of contours. But it’s not just contours and color fields that need to be right; there must also be an order of thought, a reduction of perception that is also demanded of the viewer. The viewer must concentrate, take their seeing and feeling seriously, which can only be achieved through a pause, as they are not faced with images that tell a story. Antonia Riederer states that she does not want to be current, nor does she want to create art that has a statement about the time but will not interest anyone in ten years. Instead, she creates what interests her and presents anonymized landscapes, heads, and vessels to a zapping society. That’s a statement in itself.

Marlene Gölz | art historian