Eine Begegnung mit Antonia Riederers Gemälden ist ein Fest der Farben. Die Buntheit des Kolorits fesselt den Betrachter. Ja, ihr feines Gespür für Farbharmonie manifestiert sich unmittelbar. Am Anfang stehen also die Farben, die von der Malerin wohl vorbereitet, fein abgemischt und selten unmittelbar aus der Tube beziehungsweise Flasche verwendet werden. Die so gewonnene Farbpalette schafft einen eigenen Farbkosmos, der immer neu kalibriert wird. Gesättigte, reinbunte Farbtöne stehen zarten, hellen Tonwerten gegenüber. Die verwendete Technik der Acrylmalerei fordert ein zügiges Arbeiten, das kaum Möglichkeiten einer Korrektur erlaubt. Der mit breitem Pinsel hingesetzte Strich ist erkennbar und wichtiger Bestandteil der Gemälde, eben die unverkennbare Handschrift Antonia Riederers. So ist der Farbauftrag mal deckend, mal transparent, ja beinahe aquarellhaft. Der Malvorgang an sich ist eine wesentliche Komponente des kreativen Prozesses, dabei weiß die Künstlerin zu Beginn – wenn sie die weiß grundierte Leinwand vor sich hat – nicht, wann die Reise enden wird. Nach dem ersten Anlegen der Komposition sind immer wieder Pausen zum Reflektieren nötig: den kräftigen, gestischen Pinselstrichen werden beruhigende Farbflächen zur Seite gestellt. Und natürlich die schwarzen Konturen und Zäsuren, die der Komposition Halt verleihen und die Buntheit zusätzlich steigern. Entscheidend ist auch der Moment der Fertigstellung, der Entschluss Antonia Riederers, wann das Bild fertig gemalt ist. Hier geht es um Erfahrungswerte, denn die Künstlerin weiß genau, ein Strich zu viel kann die Bildwirkung schwächen oder gar ins Negative kippen lassen. Gerade im Kleinformat beweist sie, mit wenigen, reduzierten Strichen einen gekonnten Ausdruck zu vermitteln.
Aber wie wirken nun die Gemälde auf uns? Vor allem die großformatigen Bilder bestechen durch ihre Plakativität, die sich in der Fernwirkung kundtut und eine starke Sogwirkung auf uns ausübt. Betrachtet man die Werke aus der Nähe, offenbaren sich nochmals die Feinheiten der Farbnuancen, die sich mit lichtdurchfluteter Transparenz überlagern und in ihrem Mikrokosmos ein eigenes Farbfeuerwerk veranstalten.
Die Bildthemen, die Antonia Riederer bearbeitet, bilden den klassischen Kanon der Kunstgeschichte ab: Menschenbilder, Landschaften und Stillleben. Stilistisch gesehen ist ihre Malerei ein Balanceakt zwischen Figuration und Abstraktion. Sie entwickelt dabei ihren persönlichen Stil, der einen hohen Wiedererkennungswert hat.
Antonia Riederer sagt selbst: „Mit Hilfe der Malerei wird mir das Wesentliche sichtbar gemacht. Das Gesehene oder Erdachte wird durch die Abstraktion ins Bildhafte transportiert. Somit wird der Gegenstand nicht verdrängt – er wird verwandelt. Es entwickelt sich eine eigene Formensprache, die meiner Sichtweise entspricht.“
Diese Transformation ins Abstrakte bewirkt auch eine Anonymisierung des Abgebildeten. Im Vordergrund steht immer der Dialog mit Form und Farbe, und gerade deshalb, weil die Themen nicht mit gesellschaftspolitischer Kritik aufgeladen sind, entsteht eine Zeitlosigkeit. Und genau das entspricht dem Frei-Sein, eben der Freiheit die sich Antonia Riederer herausnimmt, mit Farben ohne Zwang ihre Malerei auszuleben und dabei das Wesentliche in den Bildern herauszukristallisieren. Besonders die menschlichen Antlitze bilden hier ein meditatives Gegenüber das für Entschleunigung und Standortbestimmung sorgt.
Ein kunsthistorisches Vorbild für die Malerei Antonia Riederers ist Alexej Jawlensky. Mit seinen Kopf- und Gesichter-Serien, die durchaus konstruktiv angelegt sind, entwickelt er mystische Antlitze, die auch für Antonia Riederer eine wichtige Inspirationsquelle bilden. Der Topos der Gesichter mit ihren minimalistischen Formen, reduzieren die realen Bezüge zu unserer Dingwelt. Es geht eben nicht um ein porträthaftes Abbilden sondern um das Deklinieren eines Topos. So erforscht Antonia Riederer die Möglichkeiten der Malerei auf empirische Weise. Ihre Malerei ist kein Abmalen der Natur, sondern eine künstlerische Deutung, die in ein Herausfiltern von Essenziellem mündet. Die Spontanität der Zeichnung und die Sicherheit der Farben ergeben ein abstraktes Bild, das gleichzeitig ein Spiegelbild des Lebens mit all seiner Dynamik, seinem Geist und Harmonie ist. Das Leuchten kommt von Innen, aber es bleibt alles, wie auch der Titel einer Werkserie zum Ausdruck bringt: eine Realitätsbefragung! Freilich entstehen ihre Werke aus einem inneren Bedürfnis heraus und interpretieren ihre eigene Umwelt, aber für uns Betrachter bilden sie eine Bühne, damit wir unsere eigenen Gedanken und Geschichten entwickeln können. Dabei entsteht ein sehr meditatives Momentum, das uns in den Bann zieht. Es ist eine bewusste Erfahrung, die wir in der Auseinandersetzung mit Entschleunigung und Lust auf Farbe machen können. Ruhe, In Gedanken, Time out oder Having a Break lauten Bildtitel, die uns Betrachter auf die richtige Fährte bringen.
Diese Suche nach der richtigen Geschwindigkeit und die Rückeroberung der Muße ist ein Anliegen Antonia Riederers, das sie gemeinsam mit Marie Ruprecht in Form eines mobilen Kunstsalons betreibt. Alle Zeit der Welt lautet diese Ausstellungsreihe, die losgelöst vom klassischen Galeriebetrieb an verschiedenen Orten gemeinsam mit Gastkünstlerinnen kuratiert wird.
In der Bildbetrachtung bedeutet frei sein, dass wir unseren Gedanken freien Lauf lassen, unsere Gefühle und Emotionen zulassen und mit Lust auf Farbe in Antonia Riederers Bildwelt eintauchen.
Andreas Strohhammer | Kunsthistoriker, Künstler, Kurator und Restaurator
BEING FREE – THE JOY OF COLOUR
An encounter with Antonia Riederer’s paintings is a festival of colour. The vibrancy of the colouring is captivating to the viewer. Yes, her keen sense of colour harmony is manifested immediately. The colours are the starting point, prepared and finely mixed by the painter, rarely used directly from tube or bottle. The colour pallet thus obtained creates its own colour cosmos, which is constantly being recalibrated. Saturated, pure, bright colours contrast with soft, light tones. This acrylic painting technique demands swift work, allowing few opportunities for correction. Strokes made with a wide brush are a visible and important element of the painting, and Antonia Riederer’s distinctive signature. The colour application is sometimes opaque, sometimes transparent – yes, almost like watercolour.
The painting process itself is a key component of the creative process; at the start, with the white-primed canvas in front of her, the artist has no idea where the journey will end. After initial application of the composition, frequent breaks are needed for reflection. The strong, gestural brushstrokes are set alongside calming colour fields and naturally the black outlines and breaks that hold the composition together further enhance the vibrancy. The moment of completion is also critical – Antonia Riederer’s decision of when the painting is finished. This is about experience, as the artist is well aware that one stroke too many can weaken the impact of the picture or even turn it negative. In small format especially, she manages to convey skilful expression through a few reduced strokes.
But what impact do the paintings have on us? The largescale pictures in particular impress with their boldness, which announces itself from afar and exerts a strong pull effect over us. When looking at the pieces close up, the subtleties of the colour nuances are manifested once again, overlapping with light-flooded transparency and staging fireworks of colour within their own microcosm.
The image themes covered by Antonia Riederer represent the classical canon of art history: pictures of people, landscapes and still life. From a stylistic perspective, her painting is a balancing act between figurative and abstract. Within this, she develops her personal style, which has a high recognition value.
Antonia Riederer herself says: “Through painting, I can see the essential. Abstraction translates the seen or imagined into the pictorial. The object is therefore not suppressed; it is transformed. A distinct design language emerges, which corresponds to my perspective.”
This transformation into the abstract also has the effect of anonymising the subject. The foreground is always occupied by the dialogue with shape and colour, and a timelessness emerges precisely because the themes are not charged with sociopolitical critique. This is exactly what being free means: the freedom that Antonia Riederer takes to realise her painting with unconstrained colours and thus to distil the essence within the pictures. The human faces in particular form a mediative counterpart here, an opportunity to slow down and think about where you are.
The topos of the faces and their minimalist forms reduces the real references to our material world. This is not about portrait depiction but rather about the declension of a topos. As such, Antonia Riederer takes an empirical approach to exploring the possibilities of painting. Her painting is not a depiction of nature but rather an artistic interpretation, culminating in the filtering of the essential. The spontaneity of the drawing and the certainty of the colours produce an abstract image, which is equally a reflection of life with all its dynamism, spirit and harmony. The radiance comes from within but, as the title of one series expresses, everything is still: the questioning of reality! Of course, her works arise from an inner need and are an interpretation of her own surroundings. Yet, for us as viewers, they represent a stage upon which we can develop our own ideas and narratives. This creates a very meditative momentum, in which we are caught up. It is a conscious experience that we can have when confronted with slowing down and the joy of colour. Calm, In Thought, Time Out and Having a Break are picture titles that set us as viewers on the right track.
This search for the right speed and for the recovery of leisure is a concern of Antonia Riederer that she pursues together with Marie Ruprecht in the form of a mobile art salon. Entitled All the Time in the World, this exhibition series is being curated in various locations together with guest artists, independently of classical gallery operation.
When looking at pictures, being free means giving free rein to our thoughts, allowing our feelings and emotions, and diving into Antonia Riederer’s pictorial world with the joy of colour.
Andreas Strohhammer | Art Historian, Artist, curator and restorer